circularWOOD

Wie schaffen wir den Paradigmenwechsel für eine Kreislaufwirtschaft im Holzbau?

Unser Forschungsprojekt «circularWOOD» gewinnt die «Sustainability Challenge 2024» der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in der Kategorie Forschung! Der renommierte Nachhaltigkeitswettbewerb würdigt jährlich herausragende Leistungen in den Kategorien Start-up, Innovation und Forschung. Aus 145 eingereichten Projekten wählte eine Fachjury «circularWOOD» als Gewinner.

Im Rahmen des Nachhaltigkeitstages der DGNB am 18. Juni 2024 nahmen Dr. Sonja Geier vom CCTP der Hochschule Luzern und Dr. Sandra Schuster von der TU München nach einem spannenden Finale den Preis in der Veranstaltungslocation «Im Wizemann» in Stuttgart entgegen – ein würdiger Höhepunkt einer langjährigen Forschungskooperation zwischen dem CCTP und dem Lehrstuhl für Architektur und Holzbau der TU München.

Die beiden Projektleiterinnen Dr. Sonja Geier (CCTP, Hochschule Luzern) und Dr. Sandra Schuster (TU München) erklären das Projekt im untenstehenden Video.

Präsentation des Projektes durch die beiden Projektleiterinnen für die DGNB Sustainability Challenge

Herausforderungen

Planetare Grenzen fordern eine Kreislaufwirtschaft – unterschiedliche Hindernisse in der Umsetzbarkeit stehen dem zirkulären Bauen mit Holz bislang entgegen.

In keiner anderen Industrie ist der Energie- und Rohstoffverbrauch so hoch wie in der Bauindustrie. Angesichts der planetaren Grenzen sind der Einsatz erneuerbarer Ressourcen und das Schließen von Materialkreisläufen ein Gebot der Stunde. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und zählt daher zu den erneuerbaren Ressourcen. Deshalb ist das Material vielfach von der Notwendigkeit des schonenden Umgangs und der möglichst hochwertigen Nachnutzung bislang ausgeklammert. Die kaskadische Nutzung ist wenig etabliert. Unsicherheiten in der Entwicklung des Waldes, steigender Rohstoffbedarf und neue Märkte in der holzbasierten Bioökonomie führen zu Herausforderungen hinsichtlich der langfristigen Rohstoffverfügbarkeit von Holz.

Erste Erfahrungen mit kreislauffähigen Holzgebäuden zeigen, dass technische, konstruktive, logistische und regulatorische Herausforderungen zu bewältigen sind. Die Rückbaubarkeit gängiger Konstruktionsprinzipien ist begrenzt. In den meisten Fällen ist der Rückbau zudem nicht wirtschaftlich lösbar. Die thermische Verwertung ist eine verbreitete Lösung. Für eine stoffliche Nachnutzung müssen zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Produktanforderungen ergriffen werden. Gleichzeitig stellen bestehende Rahmenbedingungen und Regularien in der Baupraxis ein Hemmnis dar. Die zunehmende Bedeutung der CO2-Bilanzierung, die sukzessive Umsetzung der EU-Taxonomie und die damit verbundene bevorstehende Verpflichtung zur Erstellung eines Gebäuderessourcenpasses ist nicht holzbauspezifisch, erhöht jedoch den Handlungsdruck auf die Politik und die Branche.

Potenzial

Kreislauffähiges Bauen mit dem CO2-neutralen Baustoff Holz leistet einen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaschutzziele. Das Berücksichtigen der zirkulären Prinzipien sichert dabei die langfristige Verfügbarkeit der Ressource Holz.

Holz gilt als ein Hoffnungsträger für die Bauwende zur Erreichung der Klimaschutzziele. Ferner schätzt die Branche das Potenzial kreislaufgerechter Konstruktionen aus Holz als hoch ein. Die Elementierung und die damit verbundene Logik der Fügung großformatiger Bauteile sind gute Voraussetzungen. Damit können sowohl ganze Bauteile und Bauelemente als auch Einzelkomponenten einer tatsächlichen Wiederverwendung zugeführt werden. Die stoffliche statt der thermischen Nachnutzung verlängert den temporären Kohlenstoffspeicher von Holz. Akteur:innen der Holzbaubranche besitzen großes Fachwissen in der technisch-konstruktiven Umsetzung und bringen sich aktiv in Diskussionen zur Weiterentwicklung kreislauffähiger Holzbauten ein. Die konkrete Umsetzung befindet sich gegenwärtig noch im Stadium der Pilotprojekte: erste Erfahrungen werden gesammelt und müssen nun für die Weiterentwicklung genutzt werden.

Das Forschungsprojekt circularWOOD gibt einen Einblick in den aktuellen Stand der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft im Holzbau und zeigt auf, wo Handlungs- und Entwicklungsbedarf in der Forschung, der Praxis und der Politik gegeben ist.

Definition

Kreislauffähiges Bauen mit Holz bezieht sich auf die Aspekte der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Die Sicherung der Ressourcenverfügbarkeit setzt dabei eine nachhaltige Waldbewirtschaftung sowie eine Sorgfalt beim Schließen von Materialkreisläufen für den nachwachsenden Rohstoff Holz voraus.

Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft im Holzbau bedeutet einen Systemwechsel hin zu einem neuen Wirtschaftsverständnis, das auf Material- und Produktionskreisläufen beruht. Vor dem Hintergrund der planetaren Grenzen ist der nachwachsende Rohstoff ressourcenschonend und gemäß den Prinzipien des technischen Kreislaufes in hochwertigen Nachnutzungsszenarien einzusetzen. Ein Qualitätsverlust darf nur im Rahmen einer mehrstufigen Kaskadennutzung erfolgen. Der Konkurrenz unterschiedlicher stofflicher Nutzungen von Holz muss durch die Prämisse der Ressourcenschonung mittels Suffizienzstrategien vorgebeugt werden. Mit Blick auf den Erhalt der Wälder und die gesamte Wertschöpfungskette Holz muss gewährleistet sein, dass Holz aus einer nachhaltigen Waldwirtschaft stammt. Für den Paradigmenwechsel hin zur Kreislaufwirtschaft muss zudem eine tiefgreifende, gesellschaftliche Änderung hinsichtlich bestehender Konsum- und Nutzungsmuster erfolgen.

Handlungsbedarf

Für einen Paradigmenwechsel ist die politische Ebene, Forschung & Entwicklung wie auch die Innovationskraft der Branche gefordert.

Rahmenbedingungen
Steigende Bedeutung der CO2-Bilanzierung und die EU-Taxonomie werden die Entwicklungsrichtung hin zur Kreislaufwirtschaft prägen. Dafür gilt es Umsetzungsbarrieren in Genehmigungs- und Zulassungsverfahren abzubauen. Außerdem müssen Prüfverfahren zur Feststellung und Festlegung von Leistungseigenschaften gebrauchter Bauteile und Elemente etabliert und die Entwicklung der technischen Regeln vorangetrieben werden.

Material und Konstruktion
Weitere Forschung und Entwicklung im Feld der Materialwissenschaften ist notwendig, um Materialgesundheit und entsprechende Langlebigkeit für eine Nachnutzung zu gewährleisten. Darüber hinaus sind Innovationen im Bereich der Fügetechniken, Verbindungsmittel sowie Anschlusslösungen notwendig, um die zerstörungsfreie Rückbaubarkeit zu gewährleisten.

Planung und Umsetzung
Material- und holzbaugerechtes Planen beinhaltet zukünftig die Auseinandersetzung mit dem Rückbau eines Gebäudes. Verantwortlichkeiten und Informationsbereitstellung müssen klar geregelt werden. Einzelne Parameter müssen hinsichtlich ihrer Relevanz auf den Holzbau abgestimmt werden. Die Standardisierung muss vorangetrieben und bestehende Bauteil-Datenbanken müssen weiterentwickelt werden.

Technologie
Mit der sukzessiven Implementierung von Building Information Modelling (BIM) eröffnet sich das Potenzial der Optimierung in der Planung sowie der fälschungssicheren langfristigen Dokumentation. Dazu sind weitere Anstrengungen bei der Modellierung, zur Vereinheitlichung von Schnittstellen, aber auch bei der Dokumentation notwendig.

Wirtschaft
Impulse für neue Geschäftsmodelle im Holzbau, die ökonomisch und ökologisch darstellbar sind und Materialkreisläufe schließen, sind notwendig. Weiter müssen Lager- und Logistikprozesse, aber auch rechtliche Aspekte geklärt werden. Mit steigender Zahl von Bauteilbörsen und Plattformen gilt es die holzspezifische und zugleich standardisierte Abbildung von Holzbauteilen, -elementen und -komponenten zu gestalten.

Bewertung
Die Entwicklungen zur Bewertung der Kreislauffähigkeit von Gebäuden sind wichtig, aber nicht speziell holzbauspezifisch. An dieser Stelle gilt es, eine valide Evaluierung der Wirtschaftlichkeit des Rückbaus voranzutreiben. Diese Erkenntnisse dienen der Weiterentwicklung von Aufbauten und Verbindungsmitteln. Gleichzeitig kann damit die Grundlage für einen Rückbaukostenindex geschaffen werden.

Design für Disassembly DfD

Design for Disassembly (DfD) schafft die Grundlagen für die Rückbaubarkeit von Gebäuden.

Mit dem Begriff Design für Disassembly (DfD) wird ein zukunftsgerichtetes Entwurfs- und Planungsprinzip für kreislauffähige Gebäude beschrieben. DfD verfolgt das Ziel Gebäude so zu planen und zu bauen, dass sie einfach und möglichst zerstörungsfrei demontiert, sortenrein getrennt und recycelt werden können. Damit soll beim Rückbau ein möglichst großer Anteil an Materialien und Baustoffen in eine hochwertige stoffliche Nachnutzung am End of Life (EoL) überführt werden. DfD schafft die Grundlagen für die Rückbaubarkeit von Gebäuden. Denn der Rückbauaufwand in der Praxis entscheidet darüber, ob ein Rückbau wirtschaftlich durchführbar ist und Umweltauswirkungen minimiert werden.

Material

Die Auswahl geeigneter Materialien hat Auswirkungen auf die Kreislauffähigkeit eines Gebäudes.

Der Begriff Material bezieht sich auf die für die Herstellung eines Gebäudes oder Produktes benötigen Rohstoffe. Für die Kreislauffähigkeit ist die Auswahl geeigneter Materialien unter der Berücksichtigung von Materialgesundheit und Lebensdauer von Bedeutung. Um eine Wiederverwertung zu gewährleisten, ist die Sortenreinheit des Materials notwendig. Als sortenreine Aufbauten bezeichnet man solche, die aus Stoffen mit gleichen Werkstoffeigenschaften zusammengesetzt sind. Nicht sortenreine Materialien, wie beispielsweise Holzwerkstoffplatten, besitzen das Potenzial zur kaskadischen Nutzung. Bei der Planung und Umsetzung eines kreislauffähigen Gebäudes gilt es diese Aspekte besonders zu berücksichtigen.

Fügung und Verbindungsmittel

Damit ein Gebäude am End of Life (EoL) rückgebaut werden kann und dessen Bauteile wiederverwendet werden können, sind reversible Verbindungen und geeignete Fügungen notwendig.

Der mehrschichtige Aufbau von Bauteilen führt zu komplexen Fügungen. Um diese zerstörungsfrei rückzubauen, gilt es einfache und typisierte Fügungen zu entwickeln, die eine einfache Demontierbarkeit und Trennbarkeit gewährleisten. Die Demontierbarkeit beschreibt die zerstörungsfreie Lösbarkeit konstruktiver Verbindungen, die Trennbarkeit beschreibt die Möglichkeit einzelne Komponenten zerstörungsfrei zu separieren. Grundlage für beide Aspekte sind neben einfachen Fügungen der Einsatz geeigneter Verbindungs- und Befestigungsmittel und der Verzicht auf Verklebungen. Statisch wirksame Verschraubungen sind nicht zwangsläufig reversibel. An dieser Stelle zeigen vielversprechende Ergebnisse in der Forschung neue Möglichkeiten. Auch der Blick auf Holz-Holz-Verbindungen und die hohe Präzision computergesteuerter Vorfertigung zeigen die Potenziale des Holzbaus den Anforderungen kreislaufgerechten Bauens gerecht zu werden.

Organisation

Das Forschungsprojekt circularWOOD entstand aus einer Kooperation des Lehrstuhls für Architektur und Holzbau der Technischen Universität München (TUM) und dem Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern. Im Projekt wurde der Fokus auf die Situation der Kreislaufwirtschaft im Holzbau in Deutschland und in der Schweiz gelegt. Das Projekt wurde gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) aus Mitteln des Innovationsprogramms Zukunft Bau.

Laufzeit: März 2021 – Februar 2023

Links und Downloads

Kontakt

Dr. Sonja Geier
Projektleiterin
Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP)
sonja.geier@hslu.ch

Weitere Stories

Weitere Stories