Virtual Kids

Strafrechtlich relevante Befragungen von Kindern stellen besonders hohe Anforderungen an die Befragungsqualität und an die Qualifikation Befragender, da die Aussage in diesen Fällen in der Regel alleiniges Beweismittel ist. Befragungspersonen mangelt es jedoch an Übungsmöglichkeiten, in der Folge sind Kinder in der Praxis oft mit Unerfahrenen konfrontiert. Dies kann die Kinder benachteiligen, insbesondere diejenigen mit schwierigen Sozialisationsbedingungen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

Das vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte interdisziplinäre Projekt zielt in einem ersten Schritt darauf, virtuelle Charaktere («Avatare») zu entwickeln, die eine lebensnahe und zugleich standardisierte Simulation schwieriger Befragungssituationen erlauben. Mit dieser Simulation sowie mit Serious Gaming wird die Befragung trainiert. Im zweiten Schritt eröffnet die Standardisierung der sozialen Interaktion breite Forschungsperspektiven: So können etwa erstmals personale Erfolgsbedingungen von Trainingsmassnahmen systematisch erforscht werden, um zu sehen, welche Elemente unter welchen Voraussetzungen erfolgversprechend sind.

«Befragungen von Kindern in Strafverfahren betreffen klassischerweise schwere Delikte, in welchen die Aussagen der Opfer das einzige Beweismittel darstellen. Deshalb sind kompetente Befragende ungeheuer wichtig. Das Forschungsprojekt leistet einen Beitrag zur Verbesserung der Teilhabe besonders vulnerabler Gruppen, und die avisierte Verbesserung der Befragungspraxis entspricht zudem der internationalen Forderung nach einer child-friendly justice. Die individuelle Trainingsmöglichkeit erschliesst für die Befragenden in den Kantonen neue Lernbereiche. Die Pandemieerfahrung der vergangenen Jahre hat zudem in der Verwaltung zu einem bedeutenden Öffnungsschub gegenüber digitalen Möglichkeiten geführt. Mit den virtuellen Trainings trifft das Projekt deshalb einen Nerv, der Innovation auch über das Projekt hinaus ermöglicht.»

Linda Sutter, Staatsanwältin des Kantons St. Gallen
Interviewer:innen trainineren mit digitalen Avataren, bevor sie reale Kinder befragen.

«Wir erkennen grosses Potenzial für Kooperationen und Vernetzungen auch über die Landesgrenze hinaus. In der polizeilichen Aus-und Weiterbildung gewinnt Reflexionskompetenz zunehmend an Bedeutung. Projekte wie «Virtual Kids» helfen mit, Kollaborationen zwischen Akteuren der öffentlichen Sicherheit und Sozialer Arbeit zu vertiefen. Polizeiarbeit ist immer interdisziplinär und befasst sich permanent mit Themen, die gesellschaftliche Antworten verlangen, beispielsweise im Umgang mit hate speech. Das SPI fungiert hier als Koordinationsplattform, das polizeiliche, akademische sowie bildungspolitische Interessen synchronisiert.»

Stefan Aegerter, Direktor des Schweizerischen Polizeiinstitutes (SPI)

Weiterführende Informationen

Beteiligte Forschende der HSLU

  • Departement Soziale Arbeit: Susanna Niehaus, Tanja Mitrovic
  • Departement Informatik: Ariana Huwiler, Tobias Kreienbühl, Simon Hischier, Richard Wetzel
  • Departement Design & Kunst: Jürgen Haas

Externe Partner

  • Kantonspolizei Bern, Kantonspolizei St. Gallen, Schweizerisches Polizeiinstitut (SPI), Verein CCFW der Staatsanwaltsakademie, ZHAW, New York University Shanghai