Ein neues Dorfzentrum für Roggwil

Manchmal nehmen Projekte besondere Wege… Prof. Christian Zimmermann, Studiengangleiter Bachelor erzählt im Interview wie der Wunsch der Berner Gemeinde Roggwil nach einem neuen Gemeindezentrum zuerst zu einem Forschungsprojekt der Hochschule Luzern, anschliessend zu einer Aufgabe der Bachelor Thesis am Institut für Architektur und schliesslich zu einem realen Architekturwettbewerb geworden ist…

Bachelor-Thesis 2020

Um der Gemeinde unterschiedliche Lösungsvarianten zu bieten, standen den Studierenden für ihre Bachelor-Thesis zwei Szenarien zur Auswahl mit jeweils einem anderen Standort für die Aula. Zu beachten waren dabei eine ganzheitliche Betrachtung der Freiräume und der Gebäude, sowie die aktuellsten Vorgaben für hindernisfreies Bauen und Energie.
Der Bearbeitungsfokus beim Szenario A lag auf dem Perimeter der Oberstufe. Es stellt sich die Frage, wie eine Erweiterung des Schulhauses aussehen könnte. Inwiefern die bestehende Aula als Teil des Ensembles erhalten und anderweitig genutzt werden kann, wurde durch die Studierenden ebenso geprüft, wie die Platzierung der neuen Aula mit den zusätzlichen Nutzungen innerhalb des Perimeters.
Beim Szenario B befassten sich die Studierenden mit dem Perimeter der Gemeindeverwaltung. Ausgehend vom geforderten Raumprogramm war zu prüfen, ob das bestehende Gemeindehaus sinnvoll erweiterbar ist oder nur ein Ersatzneubau die Anforderungen erfüllen kann. Da das benachbarte Mehrzweckgebäude sanierungsbedürftig ist und die ursprünglichen Nutzungen in den Untergeschossen nicht mehr aktiv sind, mussten die Studierenden sich entscheiden, das Gebäude ganz oder teilweise zurückzubauen. Innerhalb des Perimeters waren der Neubau für die Aula und die Erweiterung der Gemeindeverwaltung oder ein allfälliger Ersatzbau vertieft zu bearbeiten.

Studierendenprojekt Tamara Zwahlen (Szenario A)

Studierendenprojekt von Raquel de los Rios Torres (Szenario B)

Studienwettbewerb Entwicklung Areal Sekundarschule Roggwil

Im Studienwettbewerb wurde auf dem Areal Sekundarschule ein städtebaulich, architektonisch und betrieblich überzeugender Entwurf gesucht, welcher die bestehenden Bauten integriert und optimal einbindet. Erwartet wurden zudem eine hohe Wirtschaftlichkeit bezüglich Erstellungs- und Betriebskosten, hohe Funktionalität und ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen über den ganzen Lebenszyklus der Gebäude.
Es galt Raum zu schaffen für zusätzlich 7 Schulklassen, Räume für Musik, spezielle Förderung, Schulleitung, Schulsekretariat und Raum für Lehrpersonen sowie ein neuer Kindergarten und neue Räumlichkeiten für Tagesstrukturen. Zudem galt es eine Infrastruktur zu schaffen für eine Sporthalle mit den erforderlichen Nebenräumen, einen Bühnenanbau mit erforderlichen Nebenräumen, eine Küche sowie ein Vereins- und Kulturraum für Veranstaltungen und Versammlungen. Schliesslich sollte auch ein qualitativ hochstehender Aussenraum entstehen.

Siegerprojekt von Schmid Schärer Architekten

Ortsbaulicher Ansatz

Gemäss dem räumlichen Leitbild für das Dorfzentrum Roggwil kommt der Schulanlage Hofstätten eine wichtige Funktion für die Zentrumsbildung des Ortes zu. Die Anlage bildet den Abschluss der Achse Sekundarschulstrasse, an welcher verschiedene öffentliche Bauten liegen, und markiert an dieser Stelle den Übergang in die offene Landschaft. Absicht des Entwurfes ist es folgerichtig, die Schule als öffentlichem Raum im Dorfgefüge mehr Gewicht zu verleihen und dafür eine angemessene räumliche Ausformulierung zu finden.
Zentrales Element dieser Strategie bildet der neue Schulhof, der als alte und neue Adresse der Schule eine neue Fassung bekommt. Die im Bestand bereits etablierte städtebauliche Figur einer zweiseitigen Fassung durch Schultrakt und Aula wird beibehalten und durch das deutlich kräftigere Volumen der Mehrzweckhalle am weiten Ende gestärkt. Der dadurch entstehende Platz orientiert sich deutlich zum Dorf hin und wird durch seine Grosszügigkeit zu einem öffentlichen Raum von starker Kraft. Seine Weite verweist auf die dahinter anschliessende freie Landschaft.
Das Schulgebäude wird durch einen neuen querliegenden Flügel ergänzt, welcher anstelle des heutigen Tagesschulpavillons die Sekundarschulstrasse begleitet. Der Sportplatz wird dadurch stärker zur Landschaft hin orientiert und bildet so gewissermassen die räumliche Gegenfigur zum Eingangsplatz.
Tagesschule sowie Kindergarten bleiben beide an den bestehenden Orten. Der Kindergarten wird um einen weiteren Flügel zu einer asymmetrischen U-Figur ergänzt, seine Erschliessung erfolgt weiterhin vom Hofmattenweg. Die Tagesschule wird in das EG des neuen Schulflügels integriert und profitiert damit weiterhin von einer zentralen Lage mit guter Anbindung an Schule und Kindergarten, sowie die Nähe zu Aussenräumen wie dem Sportplatz.

Das Schulgebäude

Die Struktur des Bestandesgebäudes als langer, linearer Flügelbau wird erhalten und um einen Querbau mit derselben Typologie ergänzt, welcher im OG die Primarschulräume und im EG die Tagesschule beherbergt. Eine grosszügige Eingangshalle auf Pausenplatzniveau verbindet den Schulhausplatz mit dem Sportplatz und erschliesst die verschiedenen Niveaus der beiden Flügel über eine gemeinsame Treppenanlage.
Am bestehenden Flügel wird nordseitig eine schmale Raumschicht ergänzt, welche die zusätzlich geforderten Neben- sowie Gruppenräume für die Sekundarschule beherbergt. Die Gruppenräume sind dadurch nicht direkt mit den Schulzimmern verbunden, können aber dafür flexibel zugeordnet und benutzt werden. Breite Schiebetüren erlauben eine Öffnung der Räume zum Korridor hin, dieser kann zusätzlich mit einzelnen Arbeitsplätzen möbliert werden. So entsteht – falls gewünscht – eine offene und kommunikative Schullandschaft über die Zimmergrenzen hinweg.
Die «Lücke» zwischen Altbau und der Erweiterung der 90er-Jahre wird baulich geschlossen, der Niveauunterschied beim hinteren Zugang wird in diesem Zug aufgehoben. Dadurch entsteht eine komplett barrierefreie Schule, der neue Lift in der Eingangshalle erschliesst das ganze Gebäude schwellenlos. Schulküche und Werken bleiben im UG, die Schulküche wird an das nördliche Ende des
Gebäudes umgelagert.
Die Primarschulklassen im OG des neuen Trakts werden quer zur Fassade orientiert. Dies wird möglich durch die zusätzliche Belichtung über das Dach, welches viel Tageslicht in die Tiefe des Raums bringt. Die Proportionierung der Räume und gleichmässige Belichtung über die ganze Tiefe erlauben dabei verschiedene Ausrichtungen der Möblierung, d.h. ein Unterricht in Quer- oder Längsrichtung, was durch bewegbare, nicht fix eingebaute Schränke unterstützt wird. Die Tragstruktur wird in Stützen aufgelöst in der Ebene der Gangwand, somit ergibt sich eine frei einteilbare offene Fläche, was spätere Umbauten
problemlos ermöglicht.

Die Mehrzweckhalle

Das Mehrzweckgebäude wird als reiner Holzbau vorgeschlagen. Es zeichnet sich durch die Lage des Hallenniveaus auf Ebene Schulhausplatz aus und kommt so mit einem minimalen Untergeschossvolumen aus. Dies bietet verschiedene Vorteile: In der Halle selbst entstehen dadurch attraktive Ausblicke in die Landschaft hinaus. Durch die Ebenerdigkeit kann der Aussenraum bei Anlässen überdies direkt ins Geschehen miteingebunden werden, was durch die Lage der Küche unterstützt wird, welche eine direkten Zugang nach aussen besitzt. Die gedeckte Vorzone bietet dafür ein zusätzliches attraktives Raumangebot.
Das von Nordosten über ein hochliegendes Fensterband einfallende Licht sorgt für eine blendfreie Belichtung der Halle, unterstützt durch Oblichter im Hallendach.
Der Vereinsraum im Obergeschoss wird über die Treppe im Foyer erschlossen, welche ebenfalls Zugang zur Zuschauergalerie bietet. Ein zweites Treppenhaus im Bereich der Bühne verbindet diese mit dem Vereinsraum sowie den Garderoben im UG und ermöglicht so diverse Synergien: Der Vereinsraum kann bei Aufführungen als Aufenthalts- und Pausenraum für die Akteure dienen, während die Bühne selber einen unabängigen direkten Zugang von aussen erhält und so ebenfalls als unabhängiger Raum genutzt werden kann, auch dank des grossen Fensters auf der Bühnenrückseite.
Das Foyer und die Galerie sind somit von Fluchtweganforderungen befreit und können frei genutzt und möbliert werden.

Freiraum

Vom Dorf aus kommend bildet der grosszügige Pausenplatz die Adresse der Schulanlage. Die Haupteingänge der Primar- und Sekundarschule, sowie der Turnhalle / Mehrzweckhalle,
sind darüber erschlossen.
Der Pausenplatz erhält einen naturnahen Charakter. In den chaussierten Bereichen sind Aufenthalts- und Spielgelegenheiten vorhanden, welche für Primar- und Sekundarschüler gleichermassen ein angemessenes Angebot bieten und zu Randzeiten auch für die Öffentlichkeit nutzbar sind. Ausgehend von den Bäumen im Bestand, werden diese zu raumprägenden Baumgruppen ergänzt. Neben den bestehenden Bäumen wird ebenfalls die Arena aus Naturstein in die Freiraumgestaltung integriert.
In den chaussierten Bereichen des Pausenplatzes sind Kleinsträucher vorhanden, welche einerseits zu einer Raumgliederung und Nischenbildung beitragen, jedoch auch Lebensräume für Tiere sind. In die Chaussierung wächst bodennahe Ruderalvegetation ein. Findlinge und Totholz tragen zu einer naturnahen Atmosphäre bei, bieten Spielgelegenheiten und ausserdem kleinstrukturelle Lebensräume für Tiere und Pflanzen.
Die Aussenräume des Kindergartens und des Horts sind durch lockere Strauchhecken vom übrigen Freiraum leicht abgetrennt und sind als „grüne“ Bereiche wahrnehmbar.
Im Hof des Sportplatzes wird zugunsten eines nutzbaren Freiraumbereichs, welcher sich in der Nähe der Tagesschule befindet, die Kugelstossanlage verlegt.

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