The city as palimpsest – Erweiterung Collina di Castello, Genua
«(n) palimpsest (a manuscript (usually written on papyrus or parchment) on which more than one text has been written with the earlier writing incompletely erased and still visible)»
André Corboz beschreibt in seinem Essay «Le territoire comme palimpseste» (1983) wie das Territorium analog einem Palimpsest einem ständigen Prozess der Veränderung durch Überlagerungen unterworfen ist. Dabei werden neue Schichten durch natürliche und vom Menschen verursachte Ereignisse dazu gefügt, aber auch bestehende verwischt oder sogar ausgelöscht. Diese Lesart, dieses Phänomen, das weit über die Archäologie hinausführt, lässt sich unschwer auf die Stadt übertragen. Die Stadt ist das vom Menschen am stärksten geprägte Territorium. Die Stadt, ihre Landschaft und ihre Gebäude werden seit je her transformiert, überbaut und überlagert. Der Reichtum und die Dichte an Substanz und Geschichte ist vergleichbar mit den Ablagerungen geologischer Schichten. Je älter die Stadt, je komplexer das Gefüge von Material und Zeit, desto interessanter das Palimpsest.
Uns interessiert die niemals vollendete Stadt, die Stadt der Schichten, Brüche und Schatten, die unsichtbare Stadt. «Le città invisibili» (1985) von Italo Calvino, der in San Remo, Ligurien aufwuchs, sind eine starke Inspiration für Architekten, weil sie in ihrer Offen- und Flüchtigkeit Alternativen für die Stadt der Zukunft offenbaren.
Die Aufgabe im Herbstsemester 2021 im Master Studio «Architektur & Struktur» bestand darin, eine zeitgenössische Intervention für die Collina di Castello zu entwerfen, gleichsam einen neuen Layer der die bestehend, über Jahrhunderte gewachsene Stadtstruktur ergänzt und überlagert. Dazu war das Lesen und Verstehen des Palimpsests der Stadt Voraussetzung. Folgende Inhalte wurden als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Programm genannt:
- Die Neugestaltung des öffentlichen Raumes und dessen Verknüpfung mit der umliegenden Stadtstruktur
- Die Erweiterung der Architekturfakultät
- Die Schaffung eines Museums für Stadtstruktur
Den Studierenden stellten sich dabei folgende Fragen:
- Wie lese und interpretiere ich das Palimpsest der Stadt?
- Welchen Schatten möchte ich generieren?
- In welcher Form trägt mein Projekt zur Bereicherung der Stadtstruktur bei?
Ein präzises Raumprogramm wurde nicht zur Verfügung gestellt. Dieses sollte auf Grund der Analyse und der gewählten städtebaulichen Strategie individuell entwickelt werden.
Das folgende Projekt ist von der Master Studentin Rebecca Baer.