Raumgestalt

Im Modul «Raumgestalt» beschäftigten sich die Studierenden mit dem «Dazwischen» und fokussierten sich auf den Aussenraum. Dabei interessierten sie sich für die architektonischen Qualitäten wie Geometrie, Proportion, Licht, Material und deren Zusammenspiel zu einer spezifischen, funktionalen und atmosphärischen Wirkung. Sie untersuchten den Übergang, sowie die Wechselwirkung zwischen dem Bebauten und dem Unbebauten. Sie fragten aber auch nach der gesellschaftlichen Dimension: Welche Rolle spielen diese Elemente in der Konstitution von Öffentlichkeit und Privatsphäre? Gibt es scharfe Grenzen oder verschwimmen die Orte? Was dient dem Einzelnen und was dem Kollektiv? Was sind die Nebenwirkungen dieser gestalterischen Entscheide? Und nicht zuletzt schlossen sie den historischen Hintergrund, unterschiedliche Bauetappen, gestaltete und gewachsene Strukturen in der Betrachtung mit ein.

«An Sandstränden mit herausragenden Felsen bleiben, wenn die Flut abnimmt, an bestimmten Orten, wo sich die Felsen häufen, kleine Becken zurück. Ganz ähnlich kann eine Ansammlung von Gebäuden eingebettete Zwischenräume enthalten. Wie bei den Felsbecken scheint das, was sich in den Zwischenräumen befindet, aussergewöhnlich lebendig zu sein!»
Italienische Gedanken weitergedacht, Alison und Peter Smithson

Die Studierenden haben während sechs Wochen drei Aussenraumtypologien in der Stadt Luzern von unterschiedlichem Öffentlichkeitsgrad analysiert: Den Hof, die Gasse und den Platz. Im Fokus stand dabei die Lust am genauen Beobachten, das Hinterfragen der eigenen Wahrnehmung, die Formulierung eigener Werte, sowie die Erweiterung des eigenen Repertoires. Die Erkenntnisse wurden in Form von Collagen, Plänen und Texten festgehalten und als Abschluss des Moduls am jeweiligen Ort präsentiert und diskutiert.

Baselstrasse Sentigarten/Klub Kegelbahn von Kilian Armendinger und Joakim Hürzeler

Kilian Armendinger und Joakim Hürzeler schreiben zu ihrem Projekt: «Unsere Gruppe begab sich auf eine Entdeckungsreise, um zwei versteckte Orte zu entdecken – zwei Plätze in einer Ecke der Baselstrasse, wo sich die Gleise mit der Strasse kreuzen und mit den Gebäuden eine dreieckige Restfläche bilden. Obwohl sie demselben Ursprung entstammen, könnten die beiden Plätze kaum unterschiedlicher sein.
Der Sentigarten, der im Südosten gelegene Platz, zeugt von der zeitlosen Eleganz eines bürgerlichen Aussenhofs. Man stelle sich saftig grüne Gräser vor, die um einen gepflasterten Weg herum wachsen, und der süsse Duft von blühenden Blumen und roten Rosen liegt in der Luft. Doch dies ist leider nur eine romantische Illusion, die Erinnerungen an eine vergangene Zeit wachruft. Bis auf einen prächtigen Baum in der Mitte des rundum eingefassten Hofes und einen sorgfältig angelegten Weg deutet nichts auf einen bürgerlichen Garten hin. Die Gräser und Blumen sind einem kühlen Steingarten gewichen, welcher als Parkplatz genutzt wurde. Auf den grauen Steinen sind nun ein offenes Bücherregal, ein Kühlschrank gegen Foodwaste und Palettenrahmen, die als Hochbeete dienen, angeordnet. Der Sentigarten ist ein Ort, der verspricht, den Besucher in eine Welt der Ruhe zu entführen, weit weg von der Hektik der Stadt. Aber in Wirklichkeit ist es nur der Baum, der eine Oase von der städtischen Umgebung bietet, denn nichts anderes deutet auf einen Garten hin, der die Sinne beruhigen soll.
An der nordwestlichen Ecke der belebten Kreuzung zwischen Eisenbahn und Strasse liegt ein verstecktes Plätzchen – der Aussenbereich eines Tex-Mex-Restaurants. Der Kontrast zwischen diesem lebhaften Ort und dem Sentigarten könnte nicht grösser sein. Im Gegensatz zum kargen Garten strahlt dieser Ort eine Energie aus, die schon beim Betreten des Geländes zu spüren ist. Einst war der Platz karg, ohne leglichen Charme und enthielt nichts als ein leeres Grundstück. Heute ist er zu einem lebendigen Pavillon geworden, welcher von bunten Farben nur so strotzt.
Der Platz lädt zum Verweilen ein, um die lebendige Atmosphäre aufzusaugen und bei Sonnenaufgang den letzten Electrobeats zu lauschen. Es ist ein wahres Fest der Vielfalt, bei dem Menschen zusammenkommen. Obwohl es sich um einen konsum-orientierten Ort handelt, ist das Gemeinschaftsgefühl hier spürbar und die Freude am Zusammensein ist ansteckend.

Refugium Langensandbrücke von Fabio Furrer und Lukas Hausherr

Fabio Furrer und Lukas Hausherr schreiben zu ihrem Projekt: «Unser gewählter Stadtraum befindet sich beim Bundesplatz im Bereich der Neustadt in Luzern. In Zukunft wird der Platz die erste Hälfte der Velo- und Personenunterführung Nord der Langensandbrücke bilden. Heute wird er temporär als Vorplatz des Vereinslokals «Refugium» genutzt. Der Verein möchte einen Beitrag zur Kulturvielfalt ohne Konsumzwang leisten und für alle Schichten der Gesellschaft offen sein. Das Vereinslokal im Kellergeschoss des Hauses Bundesplatz 4a besteht seit drei Jahren und ist noch auf weitere zwei Jahre befristet. Danach soll das Gebäude totalsaniert werden und so wird voraussichtlich auch der Vorplatz umgenutzt. Somit sind es das Gebäude selbst und die geplante Personenunterführung, welche die Nutzung und Existenz dieses Raumes befristen.
Auf der Brache auf der gegenüberliegenden Strassenseite wird seit über 10 Jahren geplant.
Nach einem gescheiterten Projekt ist das Gebiet seit 2014 im Besitz von HRS und der schweizerischen Mobiliar. Den Projekt-Wettbewerb konnte die Arbeitsgemeinschaft Steib & Geschwentner Architekten und toblergmür Architekten für sich entscheiden. Auch dieses Projekt wird vom Verein Stadtbild Luzern bekämpft. Ihnen wurde 2021 vor dem Kantonsgericht rechtgegeben, dass die Stadt dem ISOS zu wenig Beachtung geschenkt hat und der Ausnützungsbonus von 10% nicht gerechtfertigt ist. Die Verzögerung ist nicht nur für die Bauherren ärgerlich. Auch die Stadt hat ein Interesse an einer möglichst raschen Realisierung. Die Stadt möchte einen neuen Velo- und Fussweg zwischen Neustadtstrasse und Bahnhof entlang der Gleisanlage realisieren. Dieser soll ins Bauvorhaben integriert werden. Mit der neuen Verbindung würde der Umweg über den stark befahrenen, gefährlichen Bundesplatz entfallen.
Der Vereins-Raum liegt auf einem Niveau zwischen der Strasse und den Gleisen und lässt sich keiner der beiden Ebenen wirklich zuordnen. Der Zugang erfolgt über eine kurze Treppe, welche auf die Ebene vor den Geschäftslokalen führt. Sie ist durch eine Wandscheibe vom restlichen Strassenraum abgetrennt. Die Wandscheibe sorgt für eine starke Abgrenzung zum restlichen Stadtraum. Vom Zwischenpodest, welches sich auf der Ebene der Geschäftslokale befindet, führt eine längere Treppe zum Vereinslokal hinunter.
Einerseits ist man sich nicht sicher, ob man den Raum überhaupt betreten darf, anderseits scheint ein Raum mit einem solchen Zugang abweisend. Da man sich von oben einen Überblick verschaffen kann, wird der Raum aber berechenbarer. Der Vorplatz hat den Charakter einer Restfläche oder einer Lücke, weil er zwischen Gleisen, der Langensandbrücke und einem Wohnbau eingepfercht ist. Es scheint, als wäre dieser Raum überhaupt erst per Zufall entstanden. Dadurch ist er zwar theoretisch ein Teil der Stadt, doch gefühlsmässig entzieht er sich dieser und lässt sich nicht genau einordnen. Die Unklarheit dieses Raums spiegelt sich auch in der Eigentümerschaft wieder. Die Zugangstreppe und der offene Teil des Platzes sind in privatem Besitz des Vereins, während der Teil unter der Brücke öffentlich ist. Dieser Teil war ursprünglich von zwei Seiten zugänglich. Weil er aber von Obdachlosen als Schlafplatz genutzt wurde, versperrte die Stadt eine Seite und aktuell ist dieser öffentliche Raum nur über einen privaten Bereich zugänglich. Der Verein lässt zu, dass sich Personen auf ihrem privaten Grund aufhalten, aber die starke Aneignung macht einen sehr persönlichen und privaten Eindruck. Genau diese Unklarheit der Zugänglichkeit und Öffentlichkeit macht den Raum für uns faszinierend. Der Eindruck wird über den Tag noch weiter verstärkt, wenn an der Strasse reges Treiben herrscht, der Vorplatz aber sehr unbelebt ist. Die meisten Orte in einer Stadt sind von Normen, Regeln und Vorschriften geprägt, darum sind solche mehrdeutigen und unklare Räume sehr bereichernd und machen eine Stadt vielschichtig und spannend.

Vonmattstrasse und Innenhof Kaufmannweg/Habsburgerstrasse

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