Materialität FS23

Das Modul «Materialität» beschäftigt sich mit dem gestalterischen Einsatz und der Erfahrung von Baumaterialien. Es untersucht sowohl die sinnlich-atmosphärischen Qualitäten als auch die technischen Eigenschaften und die handwerkliche oder industrielle Bearbeitung von Materialien. Dabei wird auch ihre Kulturgeschichte sowie ihr sozialer und ökologischer Kontext betrachtet, um eine «kritische Rematerialisierung» der Architektur zu ermöglichen. Das Ziel ist es, Baustoffe als wertvolle Ressource wahrzunehmen und nachhaltig zu gestalten.

Im Rahmen des Moduls wurden drei Aufgaben gestellt, bei denen sich die Studierenden direkt mit verschiedenen Materialien und Baustoffen auseinandersetzen. Sie erprobten plastische Formgebungsverfahren und Bearbeitungstechniken, reflektierten diese und entwickelten daraus eine räumliche Materialstudie. Dabei sammelten sie haptisches Wissen, beschäftigen sich mit dem «Machen» und hinterfragten ihre Entwurfspraxis durch die Beschäftigung mit Bildender Kunst.

Einblicke in die Prozessbücher

Ebenfalls Teil der Aufgabenstellung war es mittels eines Prozessbuches, die eigenen Recherchen, den Schaffensprozess sowie die drei Exkursionen zu dokumentieren.

Studierendenarbeiten

Nora Meyer – Kombinationen von Lehmfeinputz und Massivholz
Die Atmosphäre eines Innenraums wird massgeblich durch die Kombination der vorhandenen Materialien im Zusammenspiel mit dem Licht erzeugt. Da es mich interessiert das Potenzial der Oberflächengestaltung im Innenraum zu untersuchen – d.h. die körpernahen Oberflächen mit denen wir in direkten Kontakt treten, die unsere Sinne anregen und die Atmosphäre des Raumes bestimmen – habe ich mich in der freien Arbeit mit Lehmfeinputz und Massivholz auseinandergesetzt. Die Idee war es, eine Experimentierkiste zu gestalten, mit der verschiedene Kombinationen von Lehmfeinputz mit Massivholz direkt untersucht werden können, um die vielfältigen Wirkungen, die sich durch die Kombinationen der beiden Materialien je nach Lichtsituation ergeben, beobachten zu können. Gerade die Kombination von glatten, edel wirkenden Oberflächen – wie die des Nussbaums – mit eher rauen Oberflächen – wie ein gefilzter Lehmputz – wirken interessant und erzeugen eine starke atmosphärische Wirkung. 

Esther Steinman – Faltenwurf
Das Jutegewebe und der Modellierton von der Ziegelei bildeten den Ausgangspunkt. Mittels unterschiedlicher Techniken werden die Materialien verbunden. Der Stoff wird ausgebreitet und eine Lehmrolle wird dem Rand entlang in das Gewebe eingearbeitet und in den Stoff eingerollt. Die Jutefläche wird anschliessend mit Lehm überzogen. Auf einer Hälfte wird der Lehm beidseitig von Jute gefasst. Dann wird alles in die Höhe gehoben, wieder abgesetzt und geformt. Der flächige Stoff bildet nun Falten und wächst in die Höhe. Das flexible Gewebe kann zusammen mit dem modellierbaren Ton geformt werden, letzteres härtet im Laufe des Trocknungsprozesses aus. Der aufgerollte Rand als strukturell stärkstes Element bildet eine Art runde Öffnung. Eine organische, spontane sowie fliessende Form entsteht aus den beiden natürlichen Materialien. 

Gian Lüthold – Eingehüllt & Gestützt
Als Ausgangspunkt diente die Arbeitskiste aus den vorhergehenden Übungen. Sie wurde hier als Schalung genutzt. Beim Entfernen der Einlagen und der Schalung wird das Relief der Gussform sichtbar. Die entfernten Schlungsbretter werden durch die Öffnungen geführt. Die Art des Zusammentreffens in den neun Kreuzungen mit vier Richtungen bleibt bewusst offen. Die Betondecke erhebt sich auf Holzstützen von der Grundplatte. Die ausgewogene Balance zwischen den Elementen erzeugt eine Atmosphäre von Spannung und Stabilität, die die Eigenschaften von Beton und Holz zu hinterfragen erlaubt. 

Elio Garbani – Die formsuchende Maschine
Die Kiste, welche den ersten Teil des Moduls Materialität prägte, definiert den Anfang des Prozesses. Die Formsuche beginnt. Spielerisch und neugierig entwickelt sich aus verschiedensten Impulsen eine Arbeit dessen Ende nie klar definiert wurde. Kleine Handgriffe, ein Wechsel im Material und neue Techniken verfeinern dem Prozess stetig. Die Formsuche wird zu einem Ritual, bei welchem ich der Maschine assistiere. 

Lara Rechsteiner – Dorodango – Form und Farbigkeit der Erde
Das jahrmillionen alte und überall verfügbare Material «Erde» durchläuft in der Herstellung eines Dorodangos viele Prozesse. Der Abbau erfolgt grob mit der Schaufel als kantiges, rohes Material. Danach folgt die Trocknung und die Zerkleinerung. Gesiebtes Material kann dann mit gröberen Brocken und Wasser geformt werden. Der Formungsprozess braucht Zeit und ist quasi nie vollendet. Das nie-fertig-werden und stetige Überarbeiten ist eine sinnliche Erfahrung – durch drücken, streichen und tätscheln nähert sich das Artefakt langsam an die Form der Sphäre an. Weiteres Rollen, Schleifen und Polieren im Verarbeitungsprozess verleihen den Kugeln ihre Eleganz, Subtilität und Schönheit.

Fabrice Müller – Dreidimensionales Moodboard
In meiner freien Arbeit habe ich mich mit unserem Maiensäss in den Bündner Bergen beschäftigt und eine Materialskulptur erstellt. Valser Gneis symbolisiert Beständigkeit und erzählt aufgrund seiner Entstehung eine eindrückliche Geschichte. Lärchenholz, welches für die Fassade verwendet wird und aus den nahegelegenen Wäldern stammt, besitzt nachhaltige Eigenschaften, da der Baum in großen Höhen überlebensfähig ist. Dadurch ist es möglich, das Holz unbehandelt an der Fassade anzubringen. Verfügbarkeit, ökologische Auswirkungen der Gewinnung und Verarbeitung der Materialien sowie ihre Ästhetik und Funktionalität werden im Kontext des Projekts berücksichtigt. Ein wohlüberlegter Einsatz der Materialien kann dazu beitragen, die gewünschten Botschaften zu vermitteln und eine harmonische Verbindung zwischen Architektur und Umgebung herzustellen. 

Tim Schwander – Auf den zweiten Blick
In meiner fotografischen Untersuchung von Holzverbindungen in meinem Wohnhaus habe ich die klassischen Zimmerhandwerksverbindungen den stümperischen und eigen collagierten Ergänzungen gegenübergestellt. Die Aufnahmen zeigen deutlich die präzisen Schnitte und sorgfältige Ausführung der traditionellen Verbindungen, während stümperhafte Ergänzungen unsaubere Schnitte und improvisierte Reparaturen offenbaren. Interessanterweise zeigen die eigen collagierten Ergänzungen eine kreative Herangehensweise an Problemlösungen, jedoch nicht unbedingt mit traditionellen handwerklichen Methoden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Entdeckung verborgener Fehler und Ergänzungen, die oft erst bei genauerem Hinsehen erkennbar sind. Diese fotografische Untersuchung lädt dazu ein, das Offensichtliche zu hinterfragen und die verborgenen Details wahrzunehmen, die den Blick des neugierigen oder fachkundigen Betrachters ansprechen. 

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