La Plus-Grande-Dixence

Die Aufgabenstellung im Fokus Struktur entsprach im Herbstsemester 2022 nicht einer typischen Entwurfsaufgabe. Es ging um eine Infrastrukturanlage zur Erzeugung von erneuerbarer Energie.

Mit dem Ausbruch des Ukrainekrieges Ende Februar 2022 und der damit ausgelösten Energiekrise, im Zusammenhang mit den teilweise eingestellten russischen Gas- und Erdöllieferungen, hat die Debatte um die Energiewende deutlich zugenommen. Seitens des Bundes wurden innert kürzester Zeit Hürden zur Erstellung grosser Anlagen für erneuerbare Energien gesenkt sowie grosszügige Förderbeiträge (bis zu 60% der Investitionskosten) in Aussicht gestellt. Diese Massnahmen haben wie beabsichtigt dazu geführt, dass Projekte für Anlagen welche erneuerbare Energie erzeugen, quasi im Wochentakt erarbeitet und im Laufe des Jahres 2022 vorgestellt und diskutiert wurden. Insbesondere werden diverse Photovoltaikanlagen im alpinen Raum projektiert, die vor allem zur Bewältigung des Strommangels im Winter beitragen sollen.
Nicht selten sind in diesen Projekten und den dazu geführten Debatten Architekt:innen fast gänzlich abwesend. Um diesem Umstand, zumindest auf studentischer Ebene entgegenzuwirken, haben die Verantwortlichen des Fokus Struktur die Aufgabe gestellt, eine Infrastrukturanlage zur Erzeugung von erneuerbarer Energie in der Schweiz zu planen. Die Anlage musste von relevanter Grösse sein und sich gut in die Landschaft integrieren.

Projekt von Werner Weibel

Auf der Suche nach einem geeigneten Standort für ein Solarkraftwerk sind einige Faktoren von zentraler Bedeutung. Bezüglich Sonneneinstrahlung gibt es auch in der Schweiz je nach Region und Höhenlage deutliche Unterschiede. So kann beispielsweise an Orten im alpinen Raum rund 20-30% mehr Energie gewonnen werden, da sich unter anderem durch die geringere Bewölkung die Anzahl Sonnenstunden vergrössert. Geht man im Flachland von rund 1’100 kWh/m2 durchschnittlicher jährlicher Sonneneinstrahlung aus, beträgt dies im südlichen alpinen und hochalpinen Raum bis zu 1’600 kWh/m2.

Gestützt auf diese Erkenntnis hat Werner Weibel für seinen Projektvorschlag die Grande-Dixence Staumauer im Val d´Hérémence (Kanton Wallis, südlich von Sion) ausgesucht. Nebst der geeigneten Höhenlage (Mauerkrone 2’364 m ü. M.) bildet die Grande-Dixence Staumauer aufgrund ihrer enormen Grösse (285m Höhe, 695m Kronenlänge, 5’960’000 m3 Bauwerksvolumen) und ihrer Nord-Süd Ausrichtung ideale Voraussetzungen zur Anbringung einer Photovoltaik Anlage. Auch die Strahlkraft als grösste Gewichtsstaumauer Europas sowie die bereits vorhandene Infrastruktur im Bereich Energiegewinnung zeichnen den Standort aus.

Das vorgeschlagene Projekt ist gewissermassen als Ergänzung zur bestehenden Infrastruktur zu verstehen. Die rund 135’000m2 umfassende Photovoltaikfläche ist auf einem Seiltragwerk innerhalb eines Druckringes mit rund 500m Durchmesser angebracht. Der als Fachwerk ausgebildete Druckring als statisch ideales System (gemäss dem Prinzip eines Fahrradrades) ist mittels elf zentral zusammenlaufenden Fachwerkträgern über ein Kugelgelenk auf der Staumauer abgestützt. Gleichzeitig sorgen Schwimmkörper, welche im Druckring angebracht sind für Auftrieb auf dem Wasser des Stausees. Die dadurch entstehende Neigungssituation der Photovoltaikfläche ist entsprechend des Seestandes saisonal unterschiedlich.

Vereinfacht umschrieben, erreicht der Stausee meist im Juli seinen Höchststand. Ende Oktober beginnt die Entleerung des Sees, gleichzeitig sinkt der Seepegel, was zu einer steileren Neigung der Photovoltaikfläche führt. Die steilere Neigung wiederum führt bei der flacheren Wintersonne zu einer höheren Ausbeute der vorhandenen Sonneneinstrahlung, da die Sonnenstrahlen direkter auf die Module treffen. Zumeist wird im Januar und Februar ein grosser Teil des vorhandenen Wassers abgelassen und turbiniert. Die Anhebung des Seepegels startet mit der eintretenden Schneeschmelze, zumeist Ende Mai, und erfolgt relativ zügig. Damit neigt sich wiederum die Photovoltaikfläche zum Sommer hin, der höherstehenden Sonne zu.

Über den Tagesverlauf können zudem die im Druckring angebrachten Schwimmkörper zur Ballast-Verlagerung genutzt werden. Dies ermöglicht die Photovoltaikfläche in einer trägen und ruhigen Bewegung dem Tagesverlauf der Sonne nachzurichten, um so die Sonneneinstrahlung noch effizienter zu nutzen.

Die bifazialen PV-Module können auch von der Rückseite herankommendes Reflexionslicht in Energie umwandeln, was insbesondere im Winter durch die Lichtreflexionen im umgebenden Schnee und Eis zu einer deutlichen Leistungssteigerung führt. Auch durch die Reflexionen der Wasseroberfläche im Sommer bringen so zusätzlichen Ertrag. Vereinfachte Berechnungen und Schätzungen haben ergeben, dass das Photovoltaikkraftwerk so rund 60’000’000 kWh pro Jahr erzeugen sollte. Damit könnten rund 15’000 – 20’000 Haushalte mit erneuerbarer Energie versorgt werden.

Die erstellten Bildmontagen in Postkartenform sollen aufzeigen, dass sich das vorgeschlagene Objekt als Erweiterung zur bestehenden Landschaft und Infrastruktur in allen Jahreszeiten als denkbare Möglichkeit anbietet, ein Photovoltaikkraftwerk im hochalpinen Raum zu erstellen. Im Gegensatz zu den bisher zumeist willkürlich wirkenden Vorschlägen für alpine Solarfelder soll das hier vorgeschlagene Objekt eine zeitgemässe und zukunftsfähige Antwort sein und eine entsprechende Strahlkraft und Symbolträchtigkeit aufweisen.

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