Vermeidung Performance-Gap beim Elektro Leistungs- und Energiebedarf

Vermeidung Performance-Gap beim Elektro Leistungs- und Energiebedarf

Cyrill Weber / Sara Weber

Analyse Perfomance-Gap

In der Elektroplanung wird zu Beginn der Projektplanung eine Berechnung für die Bestimmung des Leistungs- und Energiebedarfs durchgeführt. Diese theoretische Leistungs- und Energiebedarfsermittlung unterscheidet sich jedoch von der praktischen im Betrieb genutzten Leistung und Energie und wird als Performance-Gap bezeichnet. In der Schweiz wurde in den letzten Jahren viel zu diesem Thema geforscht und es sind diverse Studien erstellt worden. Diese Studien dienen als Grundlage für die Recherchen des Performance-Gap. Hauptsächlich beinhalten die Studien nicht direkt den Elektro-Performance-Gap, sondern die Gaps auf Grund von HLKS-Daten (Heizung, Lüftung, Kälte, Sanitär) wie Wärmeverbrauch, welche aber immer Auswirkungen auf den Elektro Leistungs- und Energieverbrauch haben.

«Experten schätzen den Unterschied zwischen dem gemessenen Wärmeverbrauch und dem berechneten Standard-Wärmebedarf des Schweizer Gebäudeparks auf zwischen 10% und 20%. In einzelnen Gebäuden liegt die gemessene Energiekennzahl jedoch erstaunlich stark unter oder über dem Grenzwert. Dies zeigt, dass sich von Einzelfällen nicht auf die durchschnittliche Situation in der Schweiz schlussfolgern lässt.» (Energie Schweiz, 2020) Die Tatsache bleibt aber, dass ein Performance-Gap vorhanden ist.

Die Ursachen, welche zu einem Performance-Gap führen können, sind vielseitig. Unter anderem ist eine Erstberechnung in einer frühen Planungsphase schwierig, da die vorhandenen Informationen meist noch sehr vage sind und Änderungen während des gesamten Planungs- und Bauprozesses zum Planungsalltag gehören. Grundsätzlich können die Ursachen des Performance-Gap in vier Kategorien unterteilt werden. Dies sind der Verhaltens-Gap, der Technische-Gap, der Klima-Gap sowie der Modellierungs-Gap.

Der Verhaltens-Gap beschreibt den Gap, welcher auf Grund des differenzierten Verhaltens der Nutzer im Betriebsalltag, gegenüber dem angenommenen Verhalten der Nutzer aus definierten SIA-Standardwerten, auftritt. Als Beispiel sind dies im Winter höher eingestellte Raumtemperaturen oder länger geöffnete Fenster in Nutzungen, in welchen natürliche Fensterlüftungen nicht vorgesehen sind.

Der Technische-Gap definiert die Unterschiede, welche durch Fehler in der Planung, im Bauprozess, in der Inbetriebnahme und im Betrieb selbst zu höheren oder tieferen Verbräuchen führen können. Dies können Unsicherheiten in der Planung oder auch Funktions- und Einstellungsprobleme im Betrieb sein.

Als Grundlage für die Berechnungen und Simulationen der Heiz- und Lüftungsenergie dienen die Klimamittelwerte von 40 Schweizer Standorten, die dem SIA MB 2028 entnommen werden. Die Mittelwerte dieser SIA stammen aus den Jahren 1984 bis 2003 und entsprechen nicht mehr den aktuellen Werten. Für eine genaue Berechnung sind die Daten des exakten Standortes erforderlich, jedoch kann nicht jeder Objektstandort durch einen Messstandort wiedergegeben werden, was eine ungenaue Berechnung fördert. Wie gross die Auswirkungen des Klima-Gaps exakt sind, ist in der Studie nicht aufgeführt. Sie sind aber von Projekt zu Projekt unterschiedlich, da jeder Gebäudestandort individuell zu betrachten ist.

Der Modellierungs-Gap entsteht durch Ungenauigkeiten in Simulationen oder Modellierungen des zu planenden Gebäudes. Auch wenn bereits viele Informationen zu Beginn der Projektplanung bekannt sind, kann die Realität des Gebäudes nie genau nachgebildet werden und die Simulation wird mit Vereinfachungen durchgeführt, die zu einer Differenz gegenüber dem effektiven Leistungs- und Energiebezug führt.

Vermeidung Performance-Gap

Um den Performance-Gap im Gebäude zu vermeiden sind somit diverse Umstrukturierungen im Planungsablauf erforderlich. Die Ursachen der Gaps sind in der Planung zu berücksichtigen, um den Leistungs- und Energiebedarf möglichst genau bestimmen zu können. 

Der Verhaltens-Gap ist auf Grund seiner Unvorhersehbarkeit der am schwierigsten zu steuernde Gap, da die Bedürfnisse von Nutzer zu Nutzer unterschiedlich sind. Um diesen Gap klein zu halten, müssen die Bedürfnisse so detailliert wie möglich beim Nutzer abgeholt werden. Zu diesem Zweck muss der Nutzer bereits von Anfang an mehr in die Planung miteinbezogen werden als bisher, um die effektive Auslegung der verschiedenen Komponenten auf seine Bedürfnisse abzustimmen. Ein weiterer Punkt ist die genaue Auslegung der jeweiligen Nutzungszonen. So wird einer möglichen Nutzungsänderung vorgebogen und eine genaue Auslegung der Anlagen in diesen Nutzungszonen ermöglicht. Um beide neuen Anforderungen zu vereinen, ist eine Checkliste sinnvoll, die die relevanten Anlagen, Geräte und Nutzungszeiten der einzelnen Fachrichtungen definiert und für die Berechnung bereitstellt. Bei jeder Informationsanpassung, ob Anlage oder Nutzung, soll der Leistungs- und Energiebedarf automatisch angepasst werden. Optimal werden zur Analyse bereits genutzte Gebäude des Nutzers auf die geforderten Angaben analysiert, um so allfällige Abweichungen zu den Normen zu eliminieren. Wenn das nicht möglich ist, liegt die Verantwortung beim Nutzer, eine Selbstanalyse für die geforderten Informationen durchzuführen und nach bestem Wissen den zuständigen Fachplanern anzugeben. Somit werden die Werte bestmöglich an das Verhalten des Nutzers angepasst. 

Der Technische-Gap kann besser reduziert werden als der Verhaltens-Gap. Die Pflicht liegt bei den Fachplanern, die Konzepte anhand erhaltener Informationen fachgerecht zu erstellen. Bei den Ausführenden, die geplanten Konzepte fachgerecht umzusetzen und bei den Systemintegratoren, die Einstellungen gemäss Vorgaben durchzuführen. Um diesen sicheren Ablauf zu gewährleisten, sind in einer Checkliste die geforderten Informationen aufgelistet, welche die verschiedenen Gewerke liefern und umsetzen müssen. Des Weiteren sind die gewünschten Anlagen durch den Nutzer zu definieren und mit den Fachplanern abzusprechen. Relevant ist ebenfalls, die Nutzer über die Einstellungen der, durch den Nutzer regelbaren, Anlagen und Systeme zu informieren und für die optimale Nutzung zu sensibilisieren. Auch eine noch so gut geplante und eingestellte Anlage arbeitet falsch, wenn sie nicht richtig genutzt wird. 

Um den Klima-Gap zu verringern, muss die Klimaänderung der letzten Jahre und der genaue Standort des Gebäudes berücksichtigt werden. Dies betrifft weniger die Planung als mehr die Klimadaten der SIA-Norm und die Simulationsprogramme. Eine Aktualisierung der SIA-Klimadaten sowie eine Vereinheitlichung der Parameter, ist in diesem Kontext von Vorteil. Durch eine genaue Analyse der Klimadaten am Standort des Gebäudes, den Sonnentagen und der dadurch resultierenden Sonneneinstrahlung, könnte die Auslegung im Bereich HLKS und den daraus resultierenden Anforderungen an den Elektro Leistungs- und Energiebedarf genauer definiert werden. Zu überlegen wäre, ob an Stelle oder als Ergänzung zu den SIA-Klimadaten die Daten von Meteo Schweiz, welche die aktuellen Daten von bis zu 404 Standorten aus der Schweiz liefern, genutzt werden. 

Wie bereits bei der Analyse des Modellierungs-Gaps erläutert, ist der Gap einerseits auf ungenaue Angaben zum Gebäude zurückzuführen, andererseits auf unterschiedliche Simulationsprogramme mit differenzierten Berechnungssysteme. Die Probleme durch die unterschiedlichen Berechnungssysteme zu beheben, müsste mit Umprogrammierungen der Programme gelöst werden, worauf in dieser Arbeit aber nicht genauer eingegangen wird. Die Ursache durch fehlende Angaben zu Beginn des Planungsprozesses würde eine frühe Abfrage der geforderten Informationen beim Nutzer erfordern. Für den genauen Aufbau des Gebäudes und der Gebäudehülle, welche für die Simulation von hoher Relevanz sind, wäre der Architekt gefordert, diese Angaben so früh wie möglich zu liefern. Dies würde eine Zwischenphase in der Planung oder eine Verlängerung der Phase 2 vereinfachen, damit die Informationen für die Fachplaner bis in die Phase 31 fertiggestellt werden. 

Die Lösung, der systematische Prozess

Das Ziel der systematischen Prozessentwicklung liegt darin, einen durchgängigen und datenbasierten Prozess zu entwickeln. Dieser basiert auf den neuen Methoden und Technologien, welche die Digitalisierung im Allgemeinen und BIM im speziellen bieten. Durch die Definition der strukturierten Informationsanforderung nach Projektphasen und den zugehörigen Verantwortlichkeiten wird definiert, wer, welche Information, wann, in welcher Genauigkeit und welchem Format liefern muss. Dadurch wird einerseits eine frühere und genauere Leistungs- und Energiebedarfsermittlung und andererseits ein kontinuierliches Monitoring der relevanten Parameter angestrebt, mit dem Ziel, dass der geplante und der tatsächliche Verbrauch im Betrieb möglichst übereinstimmen. 

Bei der Planung mit BIM zeichnet sich im mehr ab, wie wichtig eine klare Informations- bzw. Daten-Strukturierung und -Definition ist. Der Umfang und die Qualität der Daten nimmt mit den Projektphasen zu. Je früher und genauer die Daten vorhanden sind, desto genauere Aussagen über den Leistungs- und Energiebedarf können gemacht werden. Je früher sich der Nutzer eines Bauobjektes also mit der späteren Nutzung auseinandersetzt, um so präziser können die Systeme ausgelegt werden. Zu diesem Zweck wir eine Informationsanforderungsliste erstellt, die den Nutzer in der Entscheidungsfindung unterstützt, um die von ihm anzugebenden relevanten Informationen zu bestimmen. Ein weiterer Punkt ist die Kommunikation zwischen den Fachplanern untereinander sowie die Kommunikation mit dem Nutzer. 

Anhand der ermittelten Problematiken, Informationen und Verbesserungspotenzialen, wurde ein Prozessablaufplan entwickelt, welcher eine genauere Leistungs- und Energiebedarfsermittlung ermöglicht. Der Prozessablaufplan stützt sich auf die vier Hauptdisziplinen Nutzer/Bauherrschaft, BIM-Koordinator, Gebäudeplaner und Fachplaner. Die Disziplinen Gebäude- und Fachplaner sind als Überbegriffe definiert. Dies bedeutet, dass der Gebäudeplanung die Disziplinen Architektur und Fassadenplanung unterstehen, der Fachplanung die Disziplinen Elektro, Heizung, Lüftung, Kälte, Sanitär und Gebäudeautomation. 

Parallel zum Prozessablaufplan wurde eine Liste mit Informationsanforderungen erstellt, welche genau definiert, in welchem Detaillierungsgrad die Informationen in welcher Phase vorhanden sein müssen. Beginnend mit dem Nutzer, welcher bereits zu Beginn des Projektes grundlegende Angaben zum Gebäude anhand dieser Checkliste darlegt. Nebst der stetigen Erweiterung der Informationsgenauigkeit, ist auch ein durchgehender Austausch und die Kommunikation unter den Planern sowie mit dem Nutzer erforderlich. Es ist dazu genau definiert, wer für welchen Parameter schlussendlich die Verantwortung trägt, was, wie durchgeführt wird und wer lediglich ein Mitspracherecht besitzt. Weiter wird dabei noch unterschieden ob man eine Vorgabe macht (was am besten passt) oder nur einen Vorschlag machen kann. Für den Nutzer ist in diesem Bereich noch definiert, wer seine Ansprechperson für die jeweiligen Entscheide ist. 

Der Vorteil der informations- und datenbasierten Planung liegt auf der Hand: Mit jeder Änderung eines relevanten Parameters wird die Berechnung des Leistungs- und Energiebedarfs automatisch angepasst und Änderungen sind jederzeit nachvollziehbar. 

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