Nachhaltigkeit im Unternehmenskontext verlangt Entschlossenheit und Ideenreichtum. Mit der Firma KAOS berät Nina Wiegers Organisationen, wie sie mit geringem Ressourceneinsatz sozial inklusiv und ökologisch suffizient werden können. Dem CreaLab erzählt sie, was sie motiviert und auf was es in den nächsten Jahren ankommt.
Viele Unternehmen nehmen einen starken Wettbewerbszwang wahr – auch im Bereich Nachhaltigkeit und Digitalisierung. «Unternehmen realisieren, dass sie etwas verändern müssen. An diesem Punkt aber endet die Konversation oft, da es ihnen unklar ist, was getan werden kann und wie», erklärt Nina Wiegers, Gründerin der Beratungsfirma KAOS. Deshalb entwickelt sie in Zusammenarbeit mit Dienstleistern praktische Konzepte und Projekte, die Nachhaltigkeit direkt fördern, statt lange theoretische Analysen aufzustellen.
Erfolg breiter definieren
Die Motivation von Seiten der Unternehmen seien vielfältig, stellt Wiegers fest, die sich seit ihrem Master-Abschluss in Internationaler Geschäftsführung immer intensiver mit Nachhaltigkeit beschäftigt hat – neben Beratungsmandaten auch mit Weiterbildungen, unter anderem an der University of Cambridge.
Die Nachhaltige Entwicklung erlaubt es Unternehmen neue Märkte zu erschliessen, um so auch ihre Umsätze zu steigern. Aber auch, und das ist viel wichtiger, Erfolg breiter zu definieren. Statt sich nach dem rein finanziellen Wachstum zu richten, kann Erfolg auch mit der Diversität von Käuferschaft und Mitarbeiter, dem Grad an Partizipation und Transparenz in Entscheidungsprozessen oder der Suffizienz gemessen werden. Weniger Ressourcenverbrauch, weniger Emissionen, weniger Belohnung für viel Konsum.
Nina Wiegers, KAOS-Gründerin und Expertin für Nachhaltigkeit im Unternehmungskontext
Zudem, so Wiegers, seien digitale Möglichkeiten ein oft unterschätztes Tool für die Erreichung von mehr Nachhaltigkeit. Zum Beispiel liessen sich Prozesse automatisieren und Kommunikations-Abläufe transparenter gestalten.
Falsche Signale hin zur Bequemlichkeit
Nina Wiegers führt aus, Unternehmer*innen im Dienstleistungssektor seien aufgrund ihrer Eingebundenheit in die tägliche Arbeit dazu geneigt, fertige und hochspezialisierte End-to-End Lösungen einzukaufen, die meistens falsche Signale hin zur Bequemlichkeit setzen. Beispielsweise wie das Angebot von Mr. Green, bei dem der gesamte Abfall ungetrennt gegen relativ hohe Kosten vom Büro abgeholt wird. Oder die komplette Umstellung von normalem auf recyceltes Druckerpapier. «Das motiviert doch alle nur genauso weiterzumachen wie bisher». Solche Lösungen seien sehr punktuell und nicht Bestandteil der eigentlichen strategischen Ausrichtung und Wertschöpfung des Unternehmens.
Wichtiger sei, sich die mentale und zeitliche Freiheit zu schaffen, die Bedeutung von Nachhaltigkeit für das eigene Unternehmen in seinen weitreichenden Effekten zu verstehen und daraufhin Massnahmen zu entwickeln. Dieser Prozess schliesse eben auch soziale und politische Faktoren mit ein. Das wirkt anfänglich vielleicht aufwändig. Am Ende sei dies für Kunden und Partner aber viel glaubwürdiger. Generell wünscht sich Wiegers, dass es eine stärkere gesellschaftliche Übereinkunft darüber gebe, was Nachhaltigkeit bedeutet und welche Verantwortung die international verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele konkret für unsere Gesellschaft und auch für die Wirtschaft mit sich bringen.
Chancen für Erfolg
Nicht alle Unternehmen hätten die Aufgabe, im Handumdrehen komplett «nachhaltig» zu agieren. Jedoch solle jedes Unternehmen versuchen, die eigene Verantwortung gegenüber der Schonung von Ressourcen so gut wie möglich wahrzunehmen, sagt Nina Wiegers. So biete Nachhaltigkeit als strategisches Feld riesiges Geschäftspotenzial, was von vielen Unternehmen noch nicht vollständig wahrgenommen werde. In vielen Köpfen geistert noch die Idee umher, dass die Nachhaltigkeit im Wirtschaftsbereich ausschliesslich in den Händen der Gesetzgebung liegt.
Gegenüber der Gesetzgebung als «zwingendes Instrument» ist Wiegers zwiegespalten, weil eben jede*r Akteur*in unterschiedliche Voraussetzungen und auch Ressourcen habe, solche Gesetze umzusetzen. «Unter Umständen machen gut ausgearbeitete Gesetze total Sinn. Aber wie man bei der Abstimmung über das Schweizer CO2-Gesetzes sehen konnte, fehlte für viele Stimmberechtigte die intuitive Motivation und auch die entsprechende Kommunikation über die Benefits des Gesetzes.»
Abseits der Geschäftswelt, in der Nina Wiegers das grösste Hebel-Potenzial für mehr Nachhaltigkeit sieht, hat sie ganz irdische Held*innen: Menschen, die sich selbstlos für andere engagieren, die Fragen stellen, einfach mal machen. Auch in ihrem Job ist dies ihr grösster Antrieb: «Wenn Menschen plötzlich erkennen, dass Altruismus und die Wertschätzung unseres unglaublichen Ökosystems viel mehr Spass machen, als ‘Business-as-usual’.»
Für die Zukunft wünscht sie sich, dass wir Menschen eine entspanntere Art entwickeln, das Thema Nachhaltigkeit anzugehen. «Eine neugierige, offene Einstellung und der Mut, es zu tun. Das ist für mich der Schlüssel», erklärt sie.