Highlight Modul Lebensformen Vertiefung Ein Text von Tom Collins, betreut von Christoph Ramisch
Besitzfrei
Besitzfreies Wohnen bedeutet Leben ohne Eigenes, dabei aber kein Gefühl von Mangel zu verspüren. Das menschliche Individuum reduziert auf das Unverzichtbare. Das Unverzichtbare scheint individuell zu sein, ist es aber nicht. Der Mensch hat nur das Gefühl, dass er sich individualisiert. Jeder Mensch hat aber dieselben Grundbedürfnisse; Schlaf, Nahrung, Licht, Hygiene und Ausscheidung. Alles andere was in letzten Jahrhunderten dazukam, beschreibt sich als Luxus. Im 21. Jahrhundert scheint die Spitze des Besitzes erreicht zu sein, zumindest in der westlichen Welt.
Verglichen mit der restlichen Welt ist der Besitz des Westens, welcher durch die kapitalistische Ordnung des „Nach immer mehr Strebenden“, obszön. Um diesem Konsum und den nie endenden Angeboten entfliehen zu können, müssen die Menschen besitzfrei leben können, denn die Angebote gibt es vor allem wegen der Nachfragen. Das Schlafen beschreibt das schutzbedürftigste Grundbedürfnis der Menschen. Die restlichen Infrastrukturen für die sekundären Grundbedürfnisse müssen nicht Besitz sein, sondern können Mietgut werden. Die Menschen, die ihren Schlafraum in der Nähe voneinander haben, nutzen dieselben Mietgüter (Küche, Toiletten und Duschen) aber zu unterschiedlichen Zeiten. Diese Erweiterung des Schlafraums ist individuell. Das Wissen, dass das Angebot nur in einem gewissen Rahmen vorhanden ist, lässt gezielteres Leben entstehen. Nicht alle Schlafräume sind identisch und nicht alle Mietgüter sind deckungsgleich, es gibt Maximalgrössen und keine kaufbaren Kumulierungen.
Unzufriedenheit entsteht mit dem Wissen, dass es etwas Besseres gibt. Wenn die eigene Besitzfreiheit mit den wechselbaren Mietgütern flexibel und nach Bedürfnissen zur Verfügung stehen, gibt es keinen Grund mehr etwas anderes zu wollen.