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«Meditieren macht leistungsfähiger…» 

…sagt Alexander Hunziker, Professor an der Berner Fachhochschule. Ein Gespräch über Fortschritte, Fortschrittsillusionen und Wege aus dem Hamsterrad.

Im Gespräch mit Alexander Hunziker

CreaLab: Herr Hunziker, haben Sie ein Handy? 

Alexander Hunziker: Natürlich, ohne geht es ja nicht.  

CreaLab: In Ihren Artikeln schreiben Sie über die «digitale Ablenkbarkeit»? Inwiefern sind Sie selbst davon betroffen?  

Hunziker: Wenn ich eine E-Mail schreiben will, sehe ich erhaltene Nachrichten, die mich manchmal ablenken. Aber ich schaue nur selten auf mein Handy und habe täglich ablenkungsfreie Arbeitsphasen. 

CreaLab: Wie kann man der Ablenkung ein Schnippchen schlagen? 

Hunziker: Es gibt jede Menge Tricks und Apps. Das Entscheidende ist, dass man sie tatsächlich nutzt. Es braucht schon etwas Mut zu sagen, von dann bis dann bin ich nicht erreichbar. Letztlich braucht es die Überzeugung, dass ich für mein Wohlbefinden einstehen darf, soll und muss.     

CreaLab: Für gewöhnlich wird die Menschheitsgeschichte als Abfolge immer neuer Fortschritte dargestellt. Man denke an die Smartphones, die den Alltag erleichtern oder die Sozialen Medien, die uns unbegrenzt vernetzen lassen. Für Sie eher Tatsache oder Illusion? 

Hunziker: Natürlich beides. Fortschritte gibt es, keine Frage. Aber wir bezahlen fast immer einen versteckten Preis, und hier tendieren wir Menschen dazu, uns Illusionen zu machen. Besonders wenn der Preis erst in der Zukunft zu bezahlen ist. 

CreaLab: Gibt es dazu Beispiele? 

Hunziker: Haufenweise. Zeitsparende Gadgets geben uns Freiraum, den wir meist mit Dingen füllen, die unsere Aufmerksamkeit erfordern.  Somit entschleunigen uns diese Gadgets dann doch nicht. Rolltreppen sind für Gestresste angenehm, aber verstärken den Bewegungsmangel und damit wiederum den Stress. Den Klimawandel können Sie als den Preis sehen, den wir heute für frühere Fortschritte bezahlen. Nur mühsam geben wir die Illusion auf, dass die Nebenwirkungen des Fortschritts nicht so schlimm seien. 

CreaLab: Sie beschäftigen sich mit der Glücksökonomie. Macht materieller Konsum denn eigentlich glücklich?  

Hunziker: Wer seine materiellen Bedürfnisse nur knapp decken kann, gewinnt durch mehr Geld massiv an Lebensqualität. Für die Mehrheit in der Schweiz würde ein anhaltendes Plus an Konsum aber nur ein kurzfristiges Plus an Lebensqualität bedeuten. Man gewöhnt sich rasch daran und der Effekt verpufft. 

 «Charakterstärken und Lebensfreude zu fördern ist unabdingbar für den Unternehmenserfolg in einer turbulenten Welt.» 

CreaLab: Gibt es Wege, diesem Hamsterrad zu entfliehen? 

Hunziker: Eine positive Lebenseinstellung, sinnvolle Aufgaben, Beschäftigungen, denen mach sich voll und ganz widmen kann, gute Beziehungen und gemeisterte Herausforderungen machen nachhaltig glücklich. Es sind alles Dinge, für die es kein überdurchschnittliches Einkommen braucht. 

CreaLab: Wenn der Mensch doch nach Glück strebt, ergibt die zwanghafte Ausrichtung auf das Brutto-Sozial-Produkt überhaupt Sinn? Oder bräuchte eine Gesellschaft einen anderen Massstab an Orientierung? 

Hunziker: In wohlhabenden Gesellschaften ist die Formel «Mehr Geld = mehr Glück» konzeptionell wie auch empirisch sehr zweifelhaft. Das hat die Wissenschaft schon von 50 Jahren erkannt. Treffendere Messgrössen gibt es zwar viele, den Happy Planet Index, das Brutto-Sozial-Glück oder den Gini-Index für Ungleichheit. Aber leider haben auch sie ihre Schwächen und man konnte sich international bisher auf nichts einigen. 

CreaLab: Einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte liegt im Bereich der Achtsamkeit. Wirkt sich Achtsamkeit auf ein nachhaltiges Verhalten aus? Zugespitzt: Kaufen Meditierende eher lokale Bio-Äpfel? 

Hunziker: Es gibt eine Handvoll Studien, die tatsächlich in diese Richtung zeigen. Das ist für mich wenig überraschend. Die Forschung steht hier aber erst am Anfang. Ausgesprochen solide belegt ist hingegen, dass man durch Meditieren leistungsfähiger wird, ausgeglichener und gesünder.  

CreaLab: Mit Ihrer Arbeit bringen Sie Achtsamkeit und Positive Psychologie in die Geschäftswelt ein. Inwiefern könnten diese zwei psychologischen Konzepte dazu beitragen, Unternehmen im Bereich der digitalen und nachhaltigen Transformation zu unterstützen? 

Hunziker: Die Positive Psychologie hilft uns, professionell und systematisch Ressourcen zu erkennen wie Charakterstärken, Lebensfreude und Leidenschaft. Sie zeigt Wege auf, wie wir diese positiven Dinge mehren, sie beruflich einsetzen können und so anpassungsfähiger werden. Die Achtsamkeit versorgt uns mit Gelassenheit, wenn etwas schiefläuft. Beides ist für den Erfolg in einer turbulenten Welt unabdingbar. Nachhaltiges Handeln wird damit zwar unterstützt, aber nicht herbeigezaubert. Der Wille zur Nachhaltigkeit muss von der Gesellschaft kommen – und von Unternehmensleitungen. 

Weiterführende Links 

  • Auf der Seite von MindfulnessSwiss findest du hilfreiche Beiträge zur Achtsamkeit in Beruf, Familie und im Alltag.  
  • Mit der Gemeinwohl-Ökonomie gewinnt ein alternatives Wirtschaftsmodell an Bedeutung, welches auf Nachhaltigkeit, Kooperation und Gerechtigkeit basiert. 

Konkrete Weiterbildungsangebote im Bereich Achtsamkeit und Positive Leadership 

  • Das eintägige Seminar an der Hochschule Luzern (Soziale Arbeit) lässt HR-Verantwortliche in die Welt der Achtsamkeit eintauchen.  
  • Der CAS Mindfulness in Organisationen an der Berner Fachhochschule unter der Leitung von Alexander Hunziker vertieft die Prinzipien der Achtsamen Führung. 
  • Der fünftägige Fachkurs Positive Leadership (Berner Fachhochschule) lädt Fach- oder Führungsperson ein, die Stärken ihrer Mitarbeitenden zur Geltung zu bringen.