Wie Smart Contracts die Zahlungsabwicklung im Bereich Healthcare verändern

Wie Smart Contracts die Zahlungsabwicklung im Bereich Healthcare verändern

Der stetige technologische Fortschritt verändert Geschäftsprozesse fortlaufend und steigert so die Effizienz kontinuierlich. Mit der Entwicklung der Blockchaintechnologie und den damit verbundenen Smart Contracts besteht die Möglichkeit, die Zahlungsabwicklung in sämtlichen Branchen zu revolutionieren. Doch welche Voraussetzungen müssen gegeben sein und welche Auswirkungen könnte dieser neuartige Prozess auf Ärzte, Krankenversicherungen oder Versicherte haben?

Ein Smart Contract ist kein intelligenter Vertrag, wie es der Name vermuten lässt, sondern bezeichnet eine Technologie, die eine vertragliche Beziehung in digitaler Form mithilfe einer Software darstellt. Somit werden durch die Programmlogik, den Smart Contract, Leistungen und deren Gegenleistungen vorgegeben (Weber, 2018, S. 299). Gemäss Tim Weingärtner wird das grösste Potential von Smart Contracts zurzeit im Bereich Supply Chain Management und im FinTech Bereich gesehen. Zum Beispiel in der Pharmabranche, in der temperaturempfindliche Medikamente beim Transport überwacht und die Daten mittels der Blockchaintechnologie gespeichert werden, sodass der Nachweis erbracht werden kann, dass es keine Temperaturschwankungen gegeben hat (Weingärtner, 2019).

Doch nicht nur in diesen Bereichen besteht ein riesiges Potential, sondern auch in der Abwicklung von Zahlungen, insbesondere im Bereich Healthcare. Durch die automatische Abwicklung von Patientenrechnungen zwischen den Krankenkassen, Ärzten und den Patienten können Fehler reduziert und massive Kosteneinsparungen realisiert werden. Diese Kosteneinsparungen kommen einerseits durch die Reduktion der Kontrollinstanzen und anderseits durch die Eliminierung der Leistungsbeurteilung zustande. Die Leistungsbeurteilung beinhaltet die Abklärung, ob die jeweilige Leistung von der Krankenkasse übernommen wird. Unter der Voraussetzung, dass die Gesundheitskosten konstant bleiben, wird dies zudem langfristig zu tieferen Krankenkassenprämien führen. Da diese Annahme in den nächsten Jahren nicht eintreffen wird, werden die Krankenkassenprämien zwar steigen, allerdings nicht im gleichen Ausmass, wie wenn die automatische Zahlungsabwicklung nicht eingeführt wird.

Zurzeit gibt es allerdings noch etliche Herausforderungen, welche gemeistert werden müssen, um eine solche Zahlungsabwicklung zu realisieren. Die rechtlichen Aspekte, um die Gültigkeit solcher Verträge zu klären, stellen momentan eine grosse Hürde bezüglich der Implementierung von Smart Contracts dar. Zudem wird die Umsetzung von Smart Contracts mit dem Anspruch des korrekten Umgangs mit hochsensiblen Patientendaten erschwert. Die Privatsphäre der Patienten muss jeweils sichergestellt sein, damit der umschriebene Prozess in der Praxis Anwendung finden kann.

Drei Akteure im Fokus der Smart Contracts im Gesundheitswesen

Es wird ein Ökosystem untersucht, in dem Smart Contracts zur Zahlungsabwicklung von Patientenrechnungen eingesetzt werden. In diesem System gibt es grundsätzlich drei Akteure: Die Patienten, die Krankenkassen und die Ärzte, Krankenhäuser und Kliniken. Die Patienten müssen die Arztrechnungen einscannen, der Krankenkasse zusenden und anschliessend wird ihnen das Geld zurückerstattet, sofern die Leistungen in der Versicherung gedeckt sind. Dies verursacht nicht nur enorme administrative Aufwände seitens der Krankenkassen, sondern auch einen nicht zu unterschätzenden Aufwand für die Patienten. Durch den Wegfall all dieser administrativen Tätigkeiten und die automatische Zustellung der Rechnung zu den Krankenkassen, wird der Patient entlastet, nicht jedoch die Krankenkassen.

Die Krankenkassen erhalten keine Rückforderungsbelege mehr, da sie die Patientenrechnungen direkt vom Arzt / Krankenhaus erhalten. Die Krankenkassen können mit den Smart Contracts daher automatisch prüfen, ob die erbrachten Leistungen versichert sind und entscheiden, ob die Rechnung übernommen wird oder der Patient diese bezahlen muss. Die Überweisung an den Arzt wird auf jeden Fall von der Krankenkasse vorgenommen, die Krankenkasse stellt allerdings bei einer verweigerten Übernahme der Kosten eine Rechnung an den Patienten aus.

Das Bedürfnis der Krankenkassen ist einerseits, dass nur Leistungen bezahlt werden, welche auch versichert sind. Anderseits wollen die Krankenkassen eine möglichst hohe Kundenzufriedenheit und möglichst tiefe administrative Kosten haben. Die Krankenkassen profitieren von einer starken Reduktion der administrativen Kosten für die Bearbeitung von Rückforderungen und das Überprüfen von Versicherungsleistungen. Zudem kann die Fehlerquote der fälschlich bezahlten Rechnungen verringert werden, in dem die Überprüfung der Leistung durch die Versicherung automatisiert wird. Um das Ökosystem besser zu verstehen, werden im folgenden Abschnitt die technischen Eigenschaften der Blockchain diskutiert.

Was steckt hinter dieser Blockchaintechnologie?

In den letzten Jahren gewann die Blockchaintechnologie massiv an Popularität und gilt als sehr vielversprechende Technologie. Die Blockchain stellt ein Verfahren dar, welches Daten in Blöcken aufzeichnet und speichert. Anhand eines kryptografischen Algorithmus werden diese Daten in einem sehr viel kürzeren Schlüssel (Hash) dargestellt. Dieser Hash ist eine Folge von 64 Zeichen aus Zahlen und Buchstaben und bleibt infolge des Algorithmus konstant gleich lang. Der Dateninhalt wird signiert und kann grundsätzlich nicht mehr geändert werden, ohne dass sich der Hash-Wert ändert. Setzt man nun den Hash eines Blocks in einen neuen nachfolgenden Block, kann man zusammen mit den neuen Daten einen neuen Hash generieren. Die Daten in einem Block können nicht geändert werden, ohne dass sich der Hash im nächsten Block ändert und entsprechend auch der Hash in allen nachfolgenden Blöcken. Diese Verknüpfung stellt eine ganze – unveränderbare – Kette dar, die Blockchain (Schnetzler, 2017, S. 1). 

 

Neben der Unveränderlichkeit der Daten ist die Redundanz ein zentrales Merkmal der Blockchaintechnologie. Die Informationen einer Blockchain werden auf einer Vielzahl von Servern (sog. Nodes) und nicht zentral abgespeichert. Da diese Nodes alle über die gleiche Kopie der gesamten Blockchain verfügen, wird das System ausfallsicherer und kann Angriffe auf einzelne Teilnehmer resistent abwehren (Schnetzler, 2017, S. 2). 

Des Weiteren muss bei der Blockchaintechnologie grundsätzlich zwischen «permissioned» und «permissionless» unterschieden werden. Bei «permissionless» liegt eine Blockchain-Infrastruktur vor, an der alle teilnehmen können, wie zum Beispiel bei Bitcoin oder Ethereum. Bei «permissioned» Blockchains, wie zum Beispiel Hyperledger, ist die Blockchain nicht frei zugänglich. Das bedeutet, es entsteht meistens ein Konsortium mit dem Zweck, mittels einer Blockchain Daten auszutauschen. Dabei legen die Teilnehmenden des Konsortiums fest, von wem die Blockchain betrieben wird. Dabei kann die Blockchain von nur einem, von mehreren oder von allen Teilnehmenden betrieben werden (Weingärtner, 2019).

Abbildung 1: Unterschied permissionless und permissioned Blockchain
(101blockchains.com, 2019)

Da allerdings noch viele rechtliche Fragen in Bezug auf die Blockchaintechnologie ungeklärt sind, gibt es noch sehr wenige Beispiele solcher Konsortien. Nicht nur die unscharfe Rechtslage der Blockchaintechnologie spielt dabei eine zentrale Rolle, sondern insbesondere auch diejenige von Smart Contracts.

Greifen Smart Contracts vor Gericht?

Bereits die Definition von Smart Contracts stellt ein erstes Problem dar. Zurzeit gibt es keine einheitliche und allgemein anerkannte Begriffsbestimmung, was insbesondere in rechtlicher Hinsicht zu einer Erschwernis und Unklarheiten führt (Schnetzler, 2017, S. 2-3). Ein Smart Contract stellt trotz seiner Bezeichnung kein Vertrag im Sinne des Obligationenrechts dar. Es handelt sich vielmehr um eine Vertragserfüllungstechnologie (Der Bundesrat, 2018, S. 85-86). Die Einigung zweier Parteien über den relevanten Inhalt ist ein wesentliches Merkmal eines Vertrages. Für den Durchschnittsbürger ist der Inhalt seiner Willensäusserung, jedoch in einem für ihn unlesbaren Code versteckt. Es stellt sich die Frage, wie und ob die Parteien auf der Grundlage des Codes eine Einigung abschliessen können (Schnetzler, 2017, S. 2-3). Zudem können rechtlich unbestimmte Begriffe problematisch sein, denn die programmierten Bedingungen zur Vertragserfüllung müssen digital (true/false) nachweisbar sein. Auch ist unklar, wer bei Maschinenfehlern trotz richtiger Programmierung haftet. Zudem stellt die Anonymität der Parteien eine grosse Hürde für die Umsetzung der bestehenden Vertragsbestimmungen dar. Denn für die Geltendmachung seiner Rechte muss ein Vertragspartner zwingend seine Gegenpartei kennen. Offensichtlich wird es im Bereich Smart Contract weitere Veränderungen geben, weshalb zum heutigen Zeitpunkt eine Regulierung verfrüht erscheint (Der Bundesrat, 2018, S. 85-86).

Trotz der vielen rechtlichen Unsicherheiten arbeiten diverse Unternehmen an der Entwicklung von Geschäftsprozessen und -modellen auf Basis der Blockchaintechnologie. Die CSS Versicherung, welche als Stakeholder im oben beschriebenen Ökosystem als Versicherer auftaucht, setzt sich zurzeit mit Smart Contracts intensiv auseinander.

Smart Contracts für die Gesundheit

Versicherungsgesellschaften bilden einen weiteren Bestandteil des Ökosystems «Smart Contracts im Gesundheitswesen». Durch die Interaktion mit der Kundschaft sowie den Ärzten stellen sie das Bindeglied aller Stakeholder im untersuchten System dar. Die Versicherungsgesellschaften erhalten die Rechnungen der Ärzte, um zu prüfen, ob die versicherte Person die Leistungen ausbezahlt bekommt. Diese Prüfung ist für das Ökosystem von zentraler Bedeutung. Eine anhand der Blockchaintechnologie automatisierte Prüfung könnte zu enormen finanziellen Einsparungen seitens der Krankenkassen aber auch Prämienzahler führen. Zusätzlich würde die Fehlerquote von falsch ausbezahlten Geldmengen durch die Smart Contract-Technologie drastisch reduziert werden, was sich wiederum positiv auf die Finanzen der Versicherungsgesellschaften auswirkt.

CSS Gruppe setzt auf Smart Contracts

Das Konstrukt von Smart Contracts wird heute bereits von einer schweizweit führenden Versicherungsgesellschaft genutzt, jedoch nicht in dem Ausmass, wie oben umschrieben. Die 1899 gegründete CSS Holding AG zählt mit 1,76 Millionen Versicherten und einem Prämienvolumen von 6,46 Milliarden Franken zu den führenden Schweizer Kranken-, Unfall- und Sachversicherern (CSS Versicherung, 2019). Laut Angaben eines Unternehmensarchitekten der CSS Gruppe werden durch Smart Contracts Versicherungwechsel automatisiert, wodurch unnötige Wartezeiten vermieden werden können. Die Implementierung einer Blockchain-Lösung umfasst drei unabhängige Krankenkassen. Dabei handelt es sich also um eine «permissioned» Blockchain, die durch ein Konsortium von drei Unternehmen betrieben wird. Der implementierte Prozess löst das Problem, den Vor- und Nachversicherungsschutz lückenlos zu verwalten. Der Prozess garantiert, dass jeder einzelne Kunde jederzeit versichert ist. Wie bei einer schrittweisen Transaktion müssen beide Seiten bestimmte Massnahmen ergreifen, um eine gültige Änderung zu bearbeiten (Kreutzberg et al., 2018, S. 2-3).

Abbildung 2: Funktionsweise Smart Contracts
(Blockgeeks, 2019)

Die Umsetzung eines auf Blockchaintechnologie aufgebauten Prozesses ist an verschiedene Voraussetzungen gebunden. Nach Angaben der CSS ist die heutige Technologie durchaus ausgereift, um Unternehmensprozesse mit Hilfe der Blockchaintechnologie zu unterstützen.

Vielmehr stellt die nicht klar definierte rechtliche Voraussetzung ein Problem dar. Eine einheitliche Gesetzeslage in der Schweiz würde das Gesundheitswesen sowie die miteingebundenen Unternehmen generell entlasten (CSS, 2019).

Wie bereits im obigen Abschnitt erwähnt, stellt die unscharfe Gesetzeslage eine mögliche Herausforderung in Bezug auf Smart Contracts für die Unternehmen dar. Auch das Thema Datenschutz spielt eine grosse Rolle, kann jedoch unter Einbezug von «permissioned» Blockchains entschärft werden. Hinzu kommt, dass die Blockchaintechnologie nicht für den gezielten Datenaustausch verwendet werden soll. Die Technologie sollte eher für einen Event-Austausch, also hat etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt stattgefunden oder nicht, oder für die Datenvalidierung verwendet werden. Für einen gezielten Datenaustausch unter den Stakeholdern müsste eine andere Technologie verwendet werden. Des Weiteren bietet die Programmierung von Smart Contracts nicht die Unterstützung, welche sich ein Entwickler gewohnt ist (CSS, 2019). Das Testen der Anwendung ist momentan vor allem für grössere Projekte noch zu komplex.

Die Blockchaintechnologie bietet viele Vorteile. Besonders können durch die Technologie Intermediäre eliminiert werden, was zu einer Kostenreduktion des Käufers führt. Ein weiterer Vorteil gemäss des Unternehmensarchitekten der CSS ist der Einbezug von Blockchain im Bereich Internet of Things (IoT). Vor allem könnte in diesem Bereich enormes Potential mit medizinischen Geräten ausgeschöpft werden. Dies bedingt aber eine gewisse Akzeptanz der Kundschaft, welche auf die medizinischen Geräte angewiesen sind. Allgemein kann festgehalten werden, dass die Blockchaintechnologie mit ihrer Automationsfunktion zu einer erhöhten Prozesseffizienz beiträgt. Jedoch fehlt durch die im System bedingt zugelassene Heterogenität die Möglichkeit, mehrere Parteien mitwirken zu lassen. Somit ist das Vorantreiben der Blockchaintechnologie in erster Linie nicht ein Vertrauensproblem, sondern ein Standardisierungsproblem. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb die Umsetzung des zu Beginn dieses Beitrags beschriebenen Prozesses gegenwärtig noch zu komplex ist (CSS, 2019).

Wie weiter mit Smart Contracts?

Eine Geschäftsabwicklung gestützt durch die Blockchaintechnologie scheint für das Ökosystem noch nicht realisierbar zu sein. Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe. Einerseits wird die Implementierung von Smart Contracts durch die noch nicht auf die Blockchaintechnologie ausgerichtete Rechtslage erschwert. Die Implementierung von Smart Contracts verlangt komplexe technische Voraussetzungen zur Implementierung auf der Blockchain. Eventuell wird also auch ein ebenso hohes technisches Know-How an die Parteien zum korrekten Verständnis des Vertrags verlangt. Dieser Logik folgend sind Patienten nicht in der Lage die Bedingungen eines Smart Contracts genau zu lesen und somit deren volle Tragweite zu verstehen. Anderseits kann ein Smart Contract rückwirkend nicht verändert werden. Das heisst, dass die Informationen, welche auf einer Blockchain eingetragen werden, zwar von allen Parteien einsehbar sind, deshalb aber nicht zwingend wahrheitsgetreu sein müssen. Gerade bei komplexeren medizinischen Patientenakten, welche viele Informationen beinhalten und wie oben genannt schwer lesbar sind, kann es zu teilweise unwahren oder sogar gänzlich fälschlichen Angaben kommen.

Die Blockchaintechnologie bietet dennoch sehr viele Vorteile im Bereich der Prozessoptimierung. Durch das grundlegende Merkmal der Dezentralisierung und der dadurch vorhandenen Gleichberechtigung aller involvierten Parteien kann eine maximale Validität der Vorgänge gewährleistet werden. Das Konstrukt wird aus diesem Grund als sehr manipulationssicher erachtet. Ein weiterer Vorteil der Blockchain und den darauf aufbauenden Smart Contracts ist der direkte Vertragsabschluss zweier Parteien ohne Miteinbezug eines Intermediären. Durch den Ausschluss von intermediären Parteien können finanzielle sowie zeitliche Aufwände drastisch reduziert werden.

Literaturverzeichnis

101blockchains.com. (4. Mai 2019). 101blockchains.com. Von https://101blockchains.com/wpcontent/uploads/2018/07/Public_vs_Private_Blockchain.jpg abgerufen

Blockgeeks. (4. Mai 2019). Blockgeeks. Von https://blockgeeks.com/wpcontent/uploads/2016/10/infographics-02-2.jpg abgerufen

CSS. (15. April 2019). Interview zum Thema Blockchain und Smart Contracts bei der CSS Versicherung. (J. Bach, Interviewer)

CSS Versicherung. (27. April 2019). CSS Versicherung. Von https://www.css.ch/de/home/ueber_uns/unternehmen/gruppengesellschaft.html abgerufen

Der Bundesrat. (2018). Rechtliche Grundlagen für Distributed Ledger-Technologie und Blockchain in der Schweiz. Bern: Schweizerische Eidgenossenschaft.

Kreutzberg et al. (2018). First Blockchain between Swiss Health Insurances. Zürich: Universität Zürich.

Schnetzler, S. (Februar 2017). Blockchain und Smart Contracts. Informationen der Kanzlei Legis Rechtsanwälte AG, S. 1-4.

Weber, R. H. (Juni 2018). Smart Contracts: Vertrags- und verfügungsrechtlicher Regelungsbedarf? SIC! – Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht, S. 291.

Weingärtner, T. (10. April 2019). Interview zum Thema Blockchain und Smart Contracts. (J. Bach, Interviewer)

Autoren

Bach Jan, Mizrak Riza, Sermaxhaj Granit, Ulrich Marcel

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Effektivere Unternehmenssteuerung dank Predictive Analytics

Effektivere Unternehmenssteuerung dank Predictive Analytics

Das Potenzial datenbasierter Prognosemodelle

Bei nahezu allen Unternehmen zählen die Planung und Budgetierung zu den jährlich wiederkehrenden Tätigkeiten. Damit zielen die Unternehmen darauf ab, sich optimal auf die internen und externen Entwicklungen einzustellen. Dennoch erfüllt der Planungsprozess in vielen Unternehmen die heutigen Anforderungen nicht mehr. Die Planung dauert oft zu lange, ist zu aufwendig und entfaltet nur eine begrenzte Steuerungswirkung. Demgegenüber ist das gegenwärtige Unternehmensumfeld stark durch die dynamische Entwicklung und den technologischen Fortschritt geprägt. Eine weitere Herausforderung stellt das rasant steigende Datenvolumen dar. Dazu kommen neue Methoden und innovative Tools zur Analyse von Daten auf den Markt. Viele Unternehmen stehen also vor einem massiven Veränderungsprozess. Neben diversen Risiken bringt dieser technologische Fortschritt aber auch ein grosses Optimierungspotenzial für Unternehmen. 

Der Einsatz von datenbasierten Prognosemodellen bietet ein grosses Potenzial, die Planungs- und Budgetierungsprozesse langfristig fundamental zu verändern.

Im Zusammenhang mit grossen Datenmengen und Planungsprozessen wird oft der Begriff Predictive Analytics genannt. Mittels dieser Methode machen Unternehmen basierend auf Datenmodellen Vorhersagen, wie sich die Zukunft entwickeln könnte. Im Rahmen der Planung und Budgetierung bietet Predictive Analytics den Unternehmen damit eine Möglichkeit, auf die obenstehenden Herausforderungen der Planungs- und Budgetierungsprozesse zu reagieren. Dank Predictive Analytics Modellen können die Verantwortlichen die Planungsprozesse grossmehrheitlich automatisieren und damit ihre wertvollen Ressourcen schonen. Der verkürzte Prozess bringt zudem die Möglichkeit, die Vorhersage «auf Knopfdruck» zu aktualisieren und so das dynamische Unternehmensumfeld in die Planung miteinzubeziehen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Möglichkeit sind die datenbasierten Prognosen oftmals akkurater als die Vorhersagen der traditionellen Planungsmethoden. Doch was gibt es bei der Anwendung solcher Predictive Analytics Modellen zu beachten? Inwiefern hat dieses innovative Verfahren das Potenzial, die Planungs- und Budgetierungsprozesse in den Unternehmen effizienter und effektiver zu machen? Auf diese und weitere interessante Fragen wird die folgende Reportage eingehen. 

Warum ist die Budgetierung so kostspielig? 

Miriam Hirs arbeitet als Senior Manager im Bereich Finance Transformation bei Deloitte und kennt die Herausforderungen der Planungs- und Budgetierungsprozesse gut. Sie meint, dass der Prozess der Budgetierung von der Planung bis zur Genehmigung vier bis sechs Monate dauert. Der Budgetierungsprozess startet bei vielen Unternehmen im Juni und endet im November mit der Kommunikation des definitiven Budgets für das kommende Jahr. Ein grosser Treiber für den hohen Planungsaufwand sind die mehrheitlich manuellen Prozessschritte. 

“Der stärkste Treiber des Zeit- und Ressourcenaufwands der herkömmlichen Budgetierung ist der steigende Detaillierungsgrad.”

Miriam Hirs, Manager bei Deloitte

Mit einem detaillierteren Budget steigt nicht nur der Planungsaufwand, sondern auch der Aufwand der Berichterstattung und der Abweichungsanalyse. Planungsabweichungen zu analysieren gehört zum Berufsalltag eines Controllers. Die Zukunft ist kaum vorhersehbar und Menschen entscheiden selten rational im ökonomischen Sinne (Interview, 2. Mai 2019). Ebenso werden die Lebenszyklen von Absatzmärkten und Produkten immer kürzer. Zumeist passen die Unternehmen die Budgets aber nur während der jährlichen Planungsprozesse an und berücksichtigen daher unterjährige Veränderungen nicht (Schwering, 2016, S. 22). 

Effizientere und effektivere Planungsprozesse dank Predictive Analytics 

Das explosionsartig steigende Datenvolumen und die technologischen Fortschritte eröffnen den Unternehmen die Chance, die ressourcenintensiven Controlling-Tätigkeiten, insbesondere im Bereich Planung und Budgetierung, zu automatisieren. Mit Hilfe von Predictive Analytics können die Unternehmen die Planungsprozesse einfacher, effizienter und effektiver gestalten. So bietet Predictive Analytics die Möglichkeit, Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen. Der Nutzen von Predictive Analytics liegt in den optimierten Vorhersagen sowie im Denken von Szenarien. Dabei können die Unternehmen ihre operative Planung und Ziele besser mit der strategischen Planung abstimmen. Durch das Einsetzen von Predictive Analytics berücksichtigen die Unternehmen die strategischen Zielvorgaben, historische Erfahrungswerte sowie externe Einflussfaktoren beim Erstellen der Budgets und Forecasts (Caviezel, 2018, S. 15–16). 

Ulrich Egle vom Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern hält fest, dass die Automatisierung der ressourcenintensiven Tätigkeiten die Aufwände der Planungs- und Prognoseprozessen reduziert. Ebenso führt das Automatisieren zu einer Verkürzung der Budgeterstellungsperioden. Dies wiederum erhöht die Güte der Budgets und der Forecasts, da die Prognoseperioden zeitlich enger mit den Planungserstellungsperioden zusammenfallen (Interview, 26. April 2019). Durch die verkürzten Intervalle können die Prognosen regelmässig auf die gegenwärtige Geschäftsentwicklung angepasst werden. Letztlich führt dies zu einer dynamischen Planung. Dies erlaubt es dem Management, schnell auf Veränderungen im Unternehmensumfeld reagieren zu können (Burow, Gerards, & Demmer, 2017, S. 54–55).

Elemente des Ökosystems um Predictive Analytics 

Hirs führt aus, dass das Controlling und insbesondere die Prozesse der Planung, Budgetierung und des Forecastings zu jenen Bereichen eines Unternehmens zählen, für die das Thema Big Data besonders relevant sind. Nach Hirs ist das Controlling ein Teil des gesamten Ökosystems und fokussiert sich in seiner Tätigkeit auf das Aufbereiten der management-relevanten Informationen. Die Informationen generieren die Unternehmen aus unternehmensinternen Daten. Für die Budgetierung und Forecasts relevante interne Daten sind beispielsweise Lohnkosten, Stückzahlen, Maschinen- und Umsatzdaten (Interview, 2. Mai 2019). 

Barbara Lantz von Johnson and Johnson meint, dass Unternehmen immer häufiger externe Daten hinzuziehen. Wichtige externe Daten stammen beispielsweise aus den Sozialen Medien, aus makroökonomischen Prognosen, von Börsenplattformen und von Wettbewerbsunternehmen (Interview, 30. April 2019). Indem Unternehmen externe Daten einbeziehen, erhöhen sie die Prognosegenauigkeit der Unternehmenssteuerung (Gentsch & Kulpa, 2016, S. 36-37). 

“Erst die Verbindung von unternehmensinternen mit unternehmensexternen Daten ergibt ein ganzheitliches Unternehmensbild.”

Barbara Lantz, Finance Director FP&A bei Johnson & Johnson

Egle fügt an, dass neben den Datenströmen die verschiedenen Anspruchsgruppen wichtige Elemente des Ökosystems sind. Für die Forecasts und die Budgetierung sind die Einheiten aus den Bereichen Management, Controlling, Data Science und IT die Hauptanspruchsgruppen. Weiter werden externe Anspruchsgruppen wie beispielsweise Software- und Datenlieferanten immer wichtiger. Bei der Entwicklung der Prognosemodelle für die Budgetierung und Forecasts beziehen Unternehmen oft Beratungsunternehmen in den Prozess mit ein (Interview, 26. April 2019).

Wie entwickelt man ein Predictive Analytics Modell? 

Für eine zielführende Entwicklung von Predictive Analytics Modellen empfiehlt es sich, das klassische Data Mining Modell “CRISP-DM” anzuwenden. Basierend auf diesem Verfahren erarbeiten Organisationen in einem kontinuierlichen, iterativen Prozess ein Prognosemodell. Die Abbildung 1 visualisiert diesen Prozess anhand des CRISP-DM-Modells. 

Abb. 1: Implementierung anhand des Standardprozesses für Data Mining “CRISP-DM”
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Burow et al. (2017, S. 51) 

Das Vorgehen bei der Modellentwicklung für die Budgetierung umfasst folgende sechs Schritte: 

  • Business Understanding: 
    Im ersten Schritt schärft das Projektteam das Zielbild. Dabei definiert es, wie die Prozesse für Forecasts im gesamtunternehmerischen Kontext mittels Predictive Analytics verbessert werden können. 
  • Data Understanding: 
    Die explorativen und deskriptiven Analysen der verfügbaren Daten zielen darauf ab, das Datenverständnis zur Lösungsfindung zu verbessern. 
  • Data Preparation: 
    Die verfügbaren Daten werden aufbereitet und bereinigt. Dieser unerlässliche Vorgang dient dazu, eine solide und verlässliche Basis für die Predictive Analytics Modelle sicherzustellen. 
  • Modeling:
    Anschliessend werden mit den bereinigten Daten die Predictive Analytics Modelle entwickelt. Das gewählte Datenmodell soll eine möglichst präzise Prognose ermöglichen. 
  • Evaluation: 
    In der Evaluierungsphase beurteilt das Projektteam die Modellgüte. Es prüft einerseits das entwickelte Modell mittels Test- und Trainingsdaten. Andererseits werden die Ergebnisse des konzipierten Modells für die Forecasts mit den Planwerten basierend auf dem herkömmlichen Verfahren verglichen. Dieser Vergleich ist eminent, um Transparenz und Akzeptanz für die neuen Verfahren zu schaffen. 
  • Deployment: 
    Nachdem die Modellgüte sichergestellt ist, können Unternehmen das Predictive Analytics Modell für die Forecasts einsetzen. Die kontinuierliche Überwachung der in Betrieb genommenen Prozesse und vor allem des Modells sind zentral (Burow et al., 2017, S. 50–51).

 

Lantz rät Unternehmen davon ab, die herkömmlichen Planungs- und Budgetierungsprozesse von einem Tag auf den anderen durch die auf Predictive Analytics basierte Unternehmenssteuerung abzulösen. Ein fundamentales Element bei der Implementierung solch neuer Prozesse stellt der kontinuierliche Lernprozess dar. Entsprechend ist es sinnvoll, wenn die Planung mittels Predictive Analytics im Rahmen einer Pilotphase vorab lediglich in einem spezifischen Bereich eingesetzt wird (Interview, 2. Mai 2019). 

Voraussetzungen für den Einsatz von Prognosemodellen

Egle betont, dass für die erfolgreiche Implementierung von Predictive Analytics verschiedene organisatorische, kulturelle und technische Voraussetzungen gegeben sein müssen. Aus organisatorischer Sicht müssen die Unternehmen die funktionalen Silos aufbrechen. Dazu bauen sie ein interdisziplinäres Team über viele Funktionsbereiche auf. Als kulturelle Voraussetzung sollen die Organisationen in erster Linie eine Fehler- und Verständniskultur fördern. Dies ist elementar, weil das Projektteam die Modelle oftmals basierend auf einem Try-and-Error-Verfahren weiterentwickelt (Interview, 26. April 2019). 

Hirs meint, dass Predictive Analytics auf der technischen Seite eine geeignete Applikation und Infrastruktur erfordert. Nur so kann das Projektteam die Prognosemodelle entwickeln. Am Markt partizipieren Grossunternehmen wie beispielsweise IBM, SAP oder Oracle. Diese bieten primär Standardapplikationen an. Es gibt jedoch auch kleinere Anbieter mit individuellen Lösungen. Die Wahl der Software beeinflusst die Dauer des Implementierungsprozesses und dessen Kosten stark. Dabei zeichnen sich kleinere Softwarelieferanten durch ihre kostengünstigen und schnell implementierbaren Lösungen aus. Wichtig ist, dass die Software Medienbrüche minimiert, eine Anbindungsmöglichkeit von anderen Anwendungen bietet und damit einen kontinuierlichen Datenfluss sicherstellt (Interview, 2. Mai 2019). 

Vorteile & Risiken der Planung mit Predictive Analytics Modellen 

Die untenstehende Abbildung 2 fasst die Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren der Prognosemodelle zusammen und zeigt, inwiefern Predictive Analytics im Rahmen der Unternehmenssteuerung anwendbar sind:

Abb 2: SWOT-Analyse zum Einsatz von Predictive Analytics in der Unternehmenssteuerung
Quelle: Eigene Darstellung 

Insgesamt zeigt die SWOT-Analyse, dass der Einsatz von Predictive Analytics viele Stärken mit sich bringt.

Praxisbeispiel – Aufbau eines datenbasierten Ökosystems 

«Schindler Ahead» ist die Zukunftsvision des Lift- und Fahrtreppenherstellers Schindler. Diese Vision verbindet die Trends Internet der Dinge und Predictive Analytics miteinander. Schindler erhebt innerhalb ihres Ökosystems Daten und tauscht diese zwischen Geräten, Kunden, Passagieren und Technikern in Echtzeit aus. Die gewonnenen Informationen über-prüft Schindler in ihrem Kontrollzentrum mittels Algorithmen auf Anomalien. Dadurch erkennt Schindler potenzielle Ausfälle frühzeitig und kann die Wartungsarbeiten entsprechend koordinieren. Dies hilft, die Ausfallzeiten der Aufzüge und Fahrtreppen möglichst tief zu halten. Das Video erklärt, wie die Datengewinnung und -analyse bei Schindler funktioniert und welche Vorteile das Ökosystem für die Servicetechniker sowie für die Kundschaft hat (Schindler, online). 

Planungs- und Budgetierungsprozesse basierend auf Predictive Analytics sind die Zukunft 

Lantz weist darauf hin, dass sich die Erstellung von Forecasts mithilfe von Predictive Analytics in der Unternehmenspraxis noch nicht etabliert hat. Dies ist primär darauf zurückzuführen, dass der Implementierungsprozess einen langen Zeitraum beansprucht. Dennoch investieren gegenwärtig viele Unternehmen in diesen Bereich (Interview, 30. April 2019). 

Bezüglich der Weiterentwicklung und Durchdringung von Predictive Analytics in den nächsten Jahren teilen die Experten eine unterschiedliche Meinung: Miriam Hirs geht davon aus, dass sich die Planungs- und Budgetierungsprozesse in den nächsten fünf Jahren stark verändern werden. Sie stützt ihre Meinung auf die Tatsache, dass gegenwärtig viele Unternehmen Projekte in diesem Bereich initialisiert haben. Diese Entwicklung spiegelt sich gemäss Hirs auch in den stark angestiegenen Consultinganfragen wider (Interview, 2. Mai 2019). Prof. Dr. Ulrich Egle meint hingegen, dass in fünf Jahren die Planungs- und Budgetierungsprozesse durch den Einsatz von Predictive Analytics kaum ganzheitlich effektiver und effizienter sein werden. Er geht davon aus, dass sich das Predictive Analytics Verfahren erst über einen längeren Zeithorizont etabliert. Kurzfristig fehlt gemäss Egle in vielen Unternehmen das notwendige Know-how. Trotzdem geht er davon aus, dass in den nächsten Jahren viele Unternehmen erste Erfahrungen bei der Planung mit Predictive Analytics sammeln werden. Es wird aber erst möglich sein, bestimmte Unternehmensbereiche durch den Einsatz von Predictive Analytics zu optimieren. Durch den vorerst selektiven Einsatz können die Unternehmen Vertrauen aufbauen und die neuen Methoden dann schrittweise auf weitere Unternehmensbereiche ausweiten (Interview, 26. April 2019). 

Abschliessend lässt sich festhalten, dass Unternehmen durch den Einsatz von Predictive Analytics ein grosses Potenzial erschliessen können. Die obigen Ausführungen zeigen klar, dass die gegenwärtigen Initiativen erst der Anfang sind. Die Unternehmen haben das grosse Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Predictive Analytics wird vor allem die Planungs- und Budgetierungsprozesse in den nächsten Jahren stark beeinflussen. So wird in mittel- bis langfristiger Zukunft die Methode Predictive Analytics nicht mehr aus der Planung und Budgetierung wegzudenken sein.

Literaturverzeichnis 

Burow, L., Gerards, Y. & Demmer, M. (2017). Effektiv und effizient steuern mit Predictive Analytics. Controlling & Management Review 2017 (9), 48-56. 

Caviezel, R. (2018). Planung mit Predictive Analytics. Rechnungswesen & Controlling 2018 (1), 15-17. 

Gentsch, P. & Kulpa, A. (2017). Mit externen Big Data neue Möglichkeiten erschließen. Con-trolling & Management Review 2016 (1), 36-37. 

Hochschule Luzern (a). Planung und Budgetierung, Abgerufen am 02.06.2019 von https://wiki.hslu.ch/controlling/Planung_und_Budgetierung 

Hochschule Luzern (b). Traditionelle Budgetierung. Abgerufen am 02.06.2019 von https://wiki.hslu.ch/controlling/Traditionelle_Budgetierung 

Hochschule Luzern (c). Forecast. Abgerufen am 02.06.2019 von https://wiki.hslu.ch/controlling/Forecast 

Schindler. Schindler Ahead. Smart urban mobility. Abgerufen am 02.07.2019 von https://www.schindler-ahead.com/de/download/ 

Schwering, A. (2016). Ehrlichkeit in der Budgetierung. Wiesbaden: Springer Fachmedien. 

Interviewverzeichnis

Name Funktion Institution Ort Datum 
Prof. Dr. Egle Ulrich Dozent Controlling und Digital Business IFZ Zug 26. April 2019 
Hirs Miriam Senior Manager Finance Transformation Deloitte Switzerland Skype 2. Mai 2019 
Lantz Barbara Finance Director FP&A, (Leading Center of Excellence UK) Johnson and Johnson Skype 30. April 2019 

Autoren

Albisser Eliane, Gabler Dominik, Michael Wechsler

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E-Voting in der Schweiz

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Rettet die Wa(h)l

Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Forschung geprägt. Auch die Politik blieb davon nicht verschont. Im Jahr 2000 fällte das Parlament den Grundsatzentscheid, die elektronische Stimmabgabe für alle Schweizer Stimmbürger und Stimmbürgerinnen zu ermöglichen. Seit 2017 werden diese Pläne konkret.

Themen wie die Offenlegung des Quellcodes sowie die Überführung der Testphase in den ordentlichen Betrieb stehen im Fokus dieser Pläne (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2019).

Das Schweizer Volk zeichnet sich durch eine hohe digitale Affinität aus. 90 Prozent der Bevölkerung nutzt gemäss Bundesamt für Statistik wöchentlich das Internet. So ist auch der Begriff “Social Media” kein Fremdwort mehr. Über die Hälfte der Schweizer Social-Media Nutzer ist gemäss Statista vertraut mit Instagram und 83,5 Prozent verfügen über ein Benutzerkonto auf Facebook (siehe Abbildung 2). Anders sehen die Zahlen bei der Wahlbeteiligung aus: Lediglich 48,5 Prozent der stimmberechtigten Schweizer Bevölkerung ging für die Nationalratswahlen im Jahr 2015 an die Urne.

Kann die Einführung der elektronischen Stimmabgabe als neuer Wahlkanal eine Erhöhung der Wahlbeteiligung mit sich bringen? Da ein grosser Teil der Bevölkerung im Netz aktiv ist, wäre online zur Wahl oder Abstimmung zu gehen nur ein kleiner Schritt. Doch könnte genau dieser Schritt im Netz auch eine Gefahr der Beeinflussung durch personalisierte Werbung auslösen.

Abbildung 1: Wahlbeteiligung vs. Social-Media-Aktivitäten in der Schweiz.
Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesamt für Statistik (2018), Statista (2018),
Bundesamt für Statistik (2015)

Wird die Zukunft der Stimmabgabe digital sein?

In Estland ist E-Voting längst nicht mehr nur Zukunftsmusik. Seit 2005 können die Bürger und Bürgerinnen in “e-Estonia” online und via App über das Smartphone wählen und abstimmen. Bei der Einführung des Systems waren es weniger als zwei Prozent der Abstimmenden, die sich für den elektronischen Kanal zur Stimmabgabe für Lokalwahlen 2005 entschieden haben. Im Jahr 2017 ist dieser Anteil jedoch bereits auf fast einen Drittel der Wählerschaft angestiegen (siehe Abbildung 3).

Abbildung 2: Wahlbeteiligung über E-Voting in Estland
Eigene Darstellung in Anlehnung an Valimised (2018)

Die Schweiz als föderalistisches Konstrukt hat über die Kantonsgrenzen hinweg eine unterschiedliche Stimmbeteiligung (siehe Abbildung 4). Doch nicht nur die Stimmbeteiligung, sondern auch die Bereitschaft für eine elektronische Abstimmungsmöglichkeit zeigt kantonale Unterschiede auf. Im Kanton Genf wird beispielsweise das eigene System für die elektronische Stimmabgabe wieder eingestellt, da der finanzielle Aufwand zu hoch und die Unterstützung anderer Kantone nicht ausreichend war. Als Grund für die hohen Kosten wird die Komplexität genannt, die in Bezug auf die Sicherheitsanforderung an die Plattform unterschätzt wurde (Mäder, 2018).

Abbildung 3: Nationalratswahlen Stimmbeteiligung in der Schweiz, 2015
Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesamt für Statistik (2015)

Trotz Sicherheitsbedenken entschied die Schweizer Politik, dass eine Stimmabgabe online zugelassen werden soll. Die Post entwickelte dafür ein System, welches für alle Kantone nutzbar sein sollte. Die kritischen Stimmen formierten sich in der Politik von links nach rechts zu einem möglichen Moratorium für das E-Voting. Die Diskussion fokussiert sich dabei hauptsächlich auf die Frage der Sicherheit und der Integrität künftiger Wahlergebnisse und skizziert dabei potentielle Cyber-Horrorszenarien (E-Voting-Moratorium, 2018). Diese Themen wurden eingehend von Experten diskutiert, beispielsweise in einem Artikel im Magazin “Republik” über die entdeckten Mängel des E-Voting Systems (Moor, 2019). Viele Stimmen äussern sich also kritisch zur elektronischen Stimmabgabe. Das Beispiel von Estland zeigt aber, dass E-Voting auch Gefallen finden und funktionieren kann. Dies, auch wenn es im E-Voting System von Estland Sicherheitslücken gibt, die noch nicht behoben wurden (Hurst, et al., 2014).

Im Gespräch mit Adrienne Fichter, Schweizer Politologin und Redakteurin beim Online-Magazin “Republik”; Barbara Keller-Inhelder, Nationalrätin der SVP, Andreas Burger, Verantwortlicher für Mobilisierung & Campaigning der SP Zürich, Sven Marti, Geschäftsführer der FDP Aargau und Christian Killer, “E-Voting mit Blockchain” Experte und Doktorand am Institut für Informatik der Universität Zürich soll der Sachverhalt nun aus einem alternativen Blickwinkel betrachtet werden. Die Diskussion wird sich um Fragen drehen wie “Wie würde die elektronische Abstimmung den Wahlkampf beeinflussen und vice versa?” oder “Wer profitiert von der Einführung von E-Voting?”. So soll die Interaktion zwischen politischen Kampagnen im Netz und dem E-Voting von unterschiedlichen Perspektiven aus beleuchtet und hypothetische Gefahren betrachtet werden.

Personalisierung des Wahlkampfs über digitale Ads

Online-Campaigning kann bei Abstimmungen matchentscheidend sein. So werden für die End-Mobilisierung im Wahlkampf vor allem die sozialen Medien genutzt. Der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten hat praktisch sein gesamtes Kampagnen-Budget auf Facebook ausgegeben (Frenkel, 2018). Online-Campaigning ist ein integraler Bestandteil des Werbemixes bei den Schweizer Parteien. Die Parteien professionalisieren ihreOnline-Kampagnen und haben entsprechende Fachpersonen eingestellt. Die CVP will dieses Jahr sogar nur auf Online-Marketing setzen. Das digitale Werben ist im Gegensatz zu anderen Medien weniger ressourcenintensiv und bietet Minderheiten die Möglichkeit, sich besser zu mobilisieren und sich Gehör verschaffen zu können.

Wie derzeit der Online-Wahlkampf geführt werden kann, erläutert Sven Marti (2019), Geschäftsführer der FDP Aargau, am Beispiel der eigenen Partei. Die Bedeutung der Online-Medien ist für ihn klar gegeben, doch sind nicht alle Bürger online unterwegs. Die FDP Schweiz bewirtschaftet mit dem Kampagnenteam die bekannten Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram und LinkedIn. Je nach Plattform wird der Content dabei differenziert. Generell findet er, dass sich Facebook zum “Stammtisch” entwickelt hat. Die Plattform zeigt sich vor allem für die Zielgruppe 35+ als relevant. Der Ton ist angriffiger und die Bildsprache provokativer.

Man stelle sich vor, «nachhaltige Umwelt für meine Kinder» zu googeln und als bezahlte Werbeanzeige erscheint bei der Google Suche danach diese Anzeige:

Abbildung 4: Werbeanzeige GoogleAds
Eigene Darstellung

Eine Werbung, die sehr spezifisch nach den jeweiligen Bedürfnissen zusammengestellt ist. Eine Partei kann demzufolge beliebig potenzielle Wähler, die sich für Kinder und Umwelt interessieren, auf ihre Partei-Website holen. Zudem gibt es die Möglichkeit mit Geotargeting spezifisch auf Regionen der Zielgruppe einzugehen. Hervorzuheben ist dabei die Tatsache, dass die Werbung auf individueller Basis ausgespielt werden kann und nicht dem eigentlichen Parteiprogramm entsprechen muss. Somit ergibt sich ein Spielraum für eine potentielle Manipulation der Wahlberechtigten.

Die Politologin Adrienne Fichter (2019) sieht dabei in erster Linie eine Manipulationsgefahr bei der Stimmabgabe über eine mobile App. So zeigen Estonier beispielhaft, wie sie sogar in der Sauna abstimmen gehen können. Facebook arbeitet in Estland mit der Wahlbehörde zusammen. Auf Facebook gibt es einen Wahlreminder-Button, welcher den User gleich mit der App, respektive mit dem E-Voting verbindet. Über Online-Campaigning ist dieser “Micromoment”, sprich der Entscheidungsmoment, leicht zu targeten und die Entscheidung beeinflussbar. Ebenso bleibt intransparent, welchen Nutzern den Button gezeigt wurde. Nur einer Gruppe mit einer gewissen politischen Meinung? Ohne Regularien ist in einem solchen Fall “Digitale Selbstverteidigung” gefragt: Einstellungen müssen angepasst werden, der User muss sich gegen “Default-Einstellungen” wehren (Rang, 2019).

Die Frage der Transparenz

Die Demokratie ist ein Grundpfeiler für die Freiheit. Eine freie und individuelle Meinungsbildung wird dabei vorausgesetzt. Genau diese freie und individuelle Meinungsbildung kann von verschiedensten Seiten mittels Einflussnahme oder Propaganda angegriffen werden (Halberschmidt, 2015). Wie es auch für den Schutz bedrohter Tierarten Regularien benötigt, so sind auch für die Erhaltung der Demokratie die dafür passenden Gesetze nötig – Rettet die Wa(h)l, könnte man sagen.

Abbildung 5: Rettet die Wa(h)l
Eigene Darstellung

In der Schweiz ist politische Werbung im Fernsehen und im Radio grundsätzlich verboten. Regularien für digitales Marketing sind hingegen kaum vorhanden. Was mit digitaler Werbung alles möglich ist, hat bereits die USA oder Cambridge Analytica gezeigt. Im Gegensatz zu den klassischen Kanälen wie TV und Radio kann online bereits mit wenigen finanziellen Mitteln eine hohe Reichweite generiert werden (Prezzi, kein Datum). Digitale Ads können mit einer hohen Präzision zielgruppenspezifisch ausgespielt werden und sind somit leicht der öffentlichen Kontrolle zu entziehen. Wie es das erwähnte Beispiel von Donald Trump zeigt, können damit sogar Wahlkämpfe entschieden werden.

“Je mehr wir unsere Demokratie digitalisieren, desto mehr sind auch die Plattformen, wo die Meinungsbildung stattfindet, verpflichtet Verantwortung zu übernehmen. Plattformen sind also in der Endverantwortung und darum muss man sie auch regulieren.” (Fichter, 2019)

Adrienne Fichter (2019) ist überzeugt davon, dass Regularien nötig sind. Man müsse sich verifizieren und detaillierte Informationen darlegen, wenn eine Plakatwerbung geschaltet werden soll. Trotzdem ist es noch möglich, dass Interessengruppen in Europa online spezifisch Werbung schalten können. Jede und jeder könnte Werbung für eine politische Person geschmückt mit fragwürdigen Argumenten in den sozialen Medien publizieren. Die betroffene Person wird dies nie erfahren. Es muss für Empfänger eindeutig ersichtlich sein, wer der Absender ist. Davon ist auch Andreas Burger (2019) von der SP Zürich überzeugt. Eine solche Vorschrift soll gesetzlich verlangt werden.

Das Internet als Informationsquelle

Stimmt man über den Online-Kanal, sprich über die E-Voting Plattform ab, so ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man sich über die Vorlage gleich mit Hilfe von Suchmaschinen oder in den sozialen Medien informiert. Die Schweizer interagieren online generell aber nur auf einer begrenzten Anzahl von Plattformen. Die Plattformen sind dabei meist weder staatlich noch gemeinnützig, sondern verfolgen ein rein wirtschaftliches Interesse, meint Andreas Burger (2019) von der SP Zürich. Die Algorithmen werden so angepasst, dass sie für die Unternehmung wirtschaftlich am profitabelsten sind. Diese Ausrichtung sei nicht im Sinne der Schweizer Demokratie. Das E-Voting Portal soll also nicht nur zur effektiven Wahlabgabe dienen, sondern den Wähler auch als transparente Informationsquelle in der Meinungsbildung unterstützen. Das Wahlportal dürfe aber definitiv nicht über Suchmaschinen auffindbar sein, findet der Politiker. Der Zugang hat direkt zu erfolgen um die Sicherheit zu gewährleisten und den Portalen die Möglichkeit zu erschweren, diesen Entscheidungsmoment entgegen dem Sinn der Demokratie zu beeinflussen. Zur E-Voting Lösung der Post mein Burger, dass sie keine der formulierten Anforderungen erfülle und deshalb nicht eingeführt werden darf.

“Eine E-Voting Plattform darf nicht über Suchmaschinen auffindbar sein”
( Burger , 2019 )

Adrienne Fichter (2019) geht davon aus, dass die derzeitige E-Voting Plattform der Post zu komplex für die direkte Meinungsbildung im Portal ist. Das Stimmvolk informiere sich weiterhin bereits vor der virtuellen Wahl und wird dafür von vielen unterschiedlichen Informationsquellen Gebrauch machen. Nicht zu vergessen ist die ältere Generation. Ihr Anteil wächst stetig (Kohler, Kolly, & Rittmeyer, 2018). Der Einfluss von Online-Campaigning und Neuen Medien auf ältere Bevölkerungsgruppen ist eher gering, weil sie noch nicht auf den einschlägigen Plattformen aktiv sind. Gemäss “The Verge” (Newton, 2019) sind dabei aber genau die älteren Leute die, die am meisten “Fake News” teilen.

Umschwung in der politischen Agenda: Eine Initiativenflut ist zu erwarten.

“Abstimmen ist Abstimmen, egal ob digital oder analog”, meint Christian Killer (2019) von der Universität Zürich. Die Plausibilität der Wahlergebnisse steigert sich seiner Meinung nach dank E-Voting: Es wird weniger ungültige Stimmzettel geben, da der Wähler die Möglichkeit hat, die Stimmabgabe direkt zu verifizieren. Die Ausweitung der Kanäle bietet zudem mehr Vergleich und Abgleich-Möglichkeiten um die Plausibilisierung von Resultaten zu ermöglichen. Mit den erhobenen Daten könnten schneller Anomalien und Unregelmässigkeiten, welche auf Manipulationsversuche hindeuten könnten, entdeckt werden.

Barbara Keller-Inhelder (2019) rechnet mit einer erhöhten Wahlbereitschaft junger Leute, die sich in allen Bereichen fast nur noch digital bewegen und so eher an Abstimmungen teilnehmen. Die Wirkung des Online-Campaigning würde sich so also verstärken, da angenommen werden kann, dass vor allem jüngere Zielgruppen das E-Voting verwenden werden. Am ehesten sieht sie dies als Chance für die SP. Die SP hat genügend personelle Ressourcen, um Online-Wahlkampf im grossen Stil zu betreiben. Die SP war auch schon innovativ, als sie das Telefon nutzte um damit Sympathisanten für Wahlen und Abstimmungen zu mobilisieren (Leuzinger, 2015). Keller-Inhelder ergänzt, dass das E-Voting heute und auch in absehbarer Zukunft Gefahren mit sich bringt. Als solche gelten beispielsweise Hackerangriffe, die das E-Voting bereits jetzt schon manipulieren.

Fichter (2019) sieht durch die Einführung von E-Voting hauptsächlich eine Verlagerung von Leuten, die am Dienstag vergessen haben, das Stimmcouvert in die Urne zu legen und dann über die virtuelle Urne abstimmen. Auch sie ist der Meinung, dass die Plattform mehr Leute für die Abstimmungen mobilisieren könnte. 25-45-jährige Stimmberechtigte, die viel unterwegs und digital affin sind, erledigen bereits viele Alltagssachen digital und werden wohl auch das E-Voting nutzen. Der grosse Umschwung soll aber nicht unbedingt beim Online-Campaigning, sondern beim E-Collecting kommen. Das digitale Unterschriften-Sammeln mobilisiert neue Kreise. Geld spielt nun keine Rolle mehr, sondern nur noch die eigene Mobilisierungskraft im Netz. Es gibt viele Themen, die mit wenig Aufwand in die politischen Agenden gesetzt werden könnten. Dann wird es spannend: Die Bundesbehörden können eine Initiativenflut erwarten.

Wie geht es weiter?

Die Abhängigkeit von digitalen Konzernen wie Google, Facebook sowie anderen Unternehmen ist ein globales und strukturelles Problem, das weit grundlegender ist als die momentane Lage des E-Votings in der Schweiz. Intransparente und personalisierteOnline-Kampagnen bergen Gefahren für die Schweizer Abstimmungen und Wahlen. Für dieInstandhaltung der Schweizer Demokratie sind sich die Experten einig: Es sind Regularien nötig, digitale politische Werbung sollte nicht der Willkürlichkeit anonymer Internetnutzer überlassen werden.

Facebook hat in diesem Zusammenhang seine internen Richtlinien angepasst. So muss, um politische Werbung zu schalten, eine Authentifizierung des Schaltenden durchgeführt werden. Damit möchte Facebook dieser Anonymität entgegenwirken. Das sind erste Schritte in eine transparentere Online-Umgebung. Nichtsdestotrotz bleiben die Formulierungen von Facebook schwammig und ob eine konsequente Durchsetzung in der Schweiz überhaupt im Bereich des Möglichen liegt, bleibt offen.

Erst mit der flächendeckenden Einführung eines digitalen Wahlkanales wird sich zeigen, wie viele Wählerinnen und Wähler von einer elektronischen Stimmabgabe überhaupt Gebrauch machen und wie sich der Stellenwert von E-Voting in der Schweiz entwickeln wird. Die naheliegende Vermutung liegt klar bei einer Erhöhung der Wahlbeteiligung von jungen, digital affinen Schweizerinnen und Schweizern. Spüren wird man es dann auch, wenn die Vorteile und Möglichkeiten des einfacheren Unterschriften-Sammelns gänzlich ausgeschöpft werden. Neue und nicht vorhersehbare Themen können plötzlich die politische Agenda füllen.

Literaturverzeichnis

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Hurst, H., Halderman, A. J., Kitcat, J., MacAlpine, M., Springall, D., Finkenauer, T., & Durumeric, Z. (12.05 2014). Independent Report on E-voting in Estonia . Von Asecurity analysis of Estonia’s Internet voting system by international e-voting experts.: https://estoniaevoting.org/ abgerufen

Keller-Inhelder, B. (02.04 2019). E-Voting-Antwort per Mail.

Killer, C. (11.03 2019). E-Voting-Antwort per Mail.

Kohler, A., Kolly, M.-J., & Rittmeyer, B. (21.06 2018). Neue Zürcher Zeitung . Abgerufen am 17.04 2019 von Die Schweiz altert – aber nicht überall gleich stark: https://www.nzz.ch/schweiz/schweiz-alterung-gemeinden-ld.1351100

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MSc HSLU Exploring the Data Innovation Eco-System, Mai 2019

Stephana Müller, Gabor Wehrmüller, Daniel Barco, Bastian Gschwendtner, Tanja Schär Seite 9

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Autoren

Daniel Barco, Bastian Gschwendtner, Stephana Müller, Tanja Schär, Gabor Wehrmüller

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Spannungsfeld Datensammlung / Datenschutz

Spannungsfeld Datensammlung / Datenschutz

Schädliche Überregulierung oder notwendiger Persönlichkeitsschutz?

Die Einführung der EU Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat einen Einfluss auf alle, die sich online bewegen. Der Umfang der DSGVO und die de facto Übernahme der EU Richtlinien durch Schweizer Unternehmen hat für einige Diskussionen gesorgt. Hemmt die Verordnung die Entwicklung neuer, datenbasierter Technologien? Oder handelt es sich dabei um einen wichtigen Schutz der Persönlichkeitsrechte? Datenexperten Reinhard Riedl und André Golliez nehmen im Interview Stellung zu diesen Fragen.

Datensammlung als Ökosystem

Daten sind die Ressourcen des 21. Jahrhunderts. Die Gewinnung dieser Ressource erfolgt jedoch nicht in einem Vakuum. Die Datensammlung ist eher ein riesiges Ökosystem, von dem wir alle als Internetanwender und -anwenderinnen ein Teil sind. Jede unserer Nutzungen wird aufgezeichnet, gespeichert und ausgewertet. Die grössten singulären Akteure in diesem System sind die riesigen, datensammelnden Tech-Unternehmen und die Gesetzgeber.

Wie die Teile dieses Ökosystem miteinander interagieren, konnte im Frühling 2018 beobachtet werden, als Unternehmen unsere E-Mail-Postfächer mit Hinweisen zu ihren aktualisierten AGBs förmlich überfluteten. Auslöser hierzu war die Umsetzung der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Zwar handelt es sich hierbei um eine EU-Verordnung, dennoch hat sie extraterritoriale Wirkung, denn auch Unternehmen aus Nicht-Mitgliedsstaaten sind unter gewissen Umständen zur Umsetzung verpflichtet. Vermutlich der wichtigste Aspekt für Schweizer Unternehmen ist die Umsetzungspflicht, wenn Waren oder Dienstleistung EU-Bürgern und EU-Bürgerinnen angeboten werden (Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter EDÖB, 2018).

Wer nun im Netz .ch-Domains besucht, wird feststellen, dass viele Unternehmen die DSGVO Regeln übernommen haben. Diese de facto Übernahme liess einige kritische Stimmen laut werden. In einem Kommentar für die NZZ meinte Giorgio V. Müller (2018), dass die Verordnung die Bürokratie für Unternehmen unnötig erhöhe, und dass die Datenmobilität stark eingeschränkt würde.

Ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems hat sich allerdings noch nicht lautstark zu Wort gemeldet: Die User und Userinnen. Dabei sind es gerade sie, die im Mittelpunkt der Datensammlung stehen.

Userwilligkeit zur Teilnahme am Ökosystem

Bei der Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten kann festgestellt werden, dass die Datenschutzbelange bei verschiedenen Gruppen nicht gleich verteilt sind. Datenschutzbedenken variieren offensichtlich je nach Alter, Einkommen und Geschlecht. So sind sich jüngere User und Userinnen der Datenerhebungspraktiken stärker bewusst, während jüngere Verbraucher und Verbraucherinnen eher in einer “will pay for your information”-Gesellschaft aufgewachsen sind. Ältere Verbraucher scheinen hingegen eher besorgt über den finanziellen Datenschutz (Graef & Harmon, 2002).

Die Verbraucher glauben im Allgemeinen nicht, dass sich Marketingspezialisten und -spezialistinnen mit Fragen des Verbraucherschutzes befassen und haben eine negative Wahrnehmung von jenen, die versuchen, zu viele personenbezogene Daten zu erfassen. Doch obwohl die Verbraucher und Verbraucherinnen das Gefühl haben, dass einige Vermarkter bereits zu viel über sie wissen, sind sich die Verbraucher einig, dass ihr Angebot und Werbebotschaften umso nützlicher werden, je mehr Vermarkter über sie wissen (Graef & Harmon, 2002).

Tatsächlich halten es viele Verbraucher zumindest teilweise für akzeptabel, dass Unternehmen das Kaufverhalten der Verbraucher nutzen, um sie für Angebote anzusprechen. In Studien zu Internetnutzung haben jüngere Befragte (13-25 Jahre) sogar eine positive Einstellung zur Sammlung von Informationen für Marketingzwecke geäußert, wenn sie die Wahl hatten und ihren Verlust der Privatsphäre kompensierten. Kinder im Alter von 10-17 Jahren waren durchaus bereit, Informationen an Websites weiterzugeben (obwohl 46 Prozent der befragten Eltern nicht wussten, dass ihre Kinder Informationen online weitergaben) (Graef & Harmon, 2002).

Datenmissbrauchsfälle und ihre Effekte in der Gesellschaft

Nutzer nehmen bis anhin willentlich an diesem Ökosystem teil. Doch diese Haltung kann sich mit Aufkommen von weitläufigen Datenmissbrauchsfällen ändern. Datenexperte Reinhard Riedl vom Institut Digital Society der Berner Fachhochschule sieht noch keinen Anhaltspunkt für ein anstehendes Umdenken bei Konsumenten in der Schweiz. Gemäss Riedl gab es hierzulande bis anhin noch keine wirklich schwerwiegenden Datenmissbrauchsfälle. Es gäbe zwar Hinweise darauf, dass viele personalisierte Daten, wie zum Beispiel Kreditkartendaten, im Darknet erhältlich seien. Bislang würden die meisten persönlichen Daten aber nur indirekt für Werbezwecke oder Optimierungen gebraucht.

André Golliez, Co-Gründer und Präsident des Vereins Opendata.ch, ergänzt, dass man Datenmissbrauchsfälle, wie zum Beispiel bei Facebook mit dem Cambridge-Analytica-Skandal, differenziert betrachten sollte. Denn gerade in diesem Beispiel würde klar von Datenmissbrauch gesprochen. Das Geschäftsmodell von Facebook bestünde jedoch genau in eben dieser Nutzung von personenbezogenen Daten. Angeblich zwar “nur” für die Werbeoptimierung und nicht für andere illegale Zwecke, dies wiederum erschien jedoch für viele Betroffene irreführend. Man müsse hier fragen, wer den Zugang und die damit verbundene Nutzung dieser Daten kontrolliert. Genau das würde in diesem speziellen Fall nicht verstanden. Das zeige, dass man mit solchen Missbrauchsfällen vorsichtig umgehen müsse.

Des Weiteren gäbe es auch sehr spezielle Formen des Missbrauchs, so würden in den USA zum Beispiel Datendossiers von Personen als Handelsgüter verwendet. Beispielsweise diene der Kauf von Studentendossiers durch kommerzielle Universitäten dazu, sogenannte Versager-Studenten ausfindig zu machen um diese dann gezielt anwerben zu können. Das heisst, die Universitäten suchen mit Hilfe der Dossiers Studenten, die in einem sozial schwachen Umfeld aufgewachsen sind oder sonstige bekannte Probleme im Leben hatten und für ihre Werbung besonders empfänglich sind.

Solche Missbrauchsfälle können natürlich verschiedene Effekt in der Gesellschaft hervorrufen. Nach Riedl führe Big Data zur erhöhten Personalisierung der Daten. Diese Personalisierung könne wiederum zu mehr Diskriminierung führen. Tendenziell könnten so Unterschiede in der Gesellschaft grösser werden, wodurch die Folgen solcher Unterschiede ebenfalls verstärkt würden.

Durch die extensive Datennutzung würden wir Anwender und Anwenderinnen in die Pflicht genommen, sehr viel mehr Prozesse im Leben regeln und regulieren zu müssen. Es zeige sich, dass viele bisher automatisch funktionierende Abläufe neu hinterfragt werden müssten. Allen voran etwa jene, die plötzlich durch den Gebrauch von personalisierten Daten sichtbar würden, zum Beispiel das Solidaritätsprinzip bei Versicherungen. Als ein Beispiel hierfür erwähnt Riedl die Nutzung persönlicher Daten durch Krankenversicherungen, die die Prämien individuell anpassen könnten, was wiederum das Solidaritätsprinzip in Frage stelle.

Dieser Sachverhalt könne in der Gesellschaft die Frage aufwerfen, ob wir auf die Solidarität verzichten oder ob wir sie weiterhin aufrechterhalten wollen. Dies führe in diesem Bereich zur Notwendigkeit, dass wir zukünftig diesen bisher für uns selbstverständlichen Mechanismus aktiv regeln müssten.

Datenschutz als Mittel gegen Datenmissbrauch

Die Daten wurden schon lange vor dem Aufkommen des Internets erhoben. Mit der Demokratisierung des Internets ist die Datenmenge, die Erhebungsfreundlichkeit und das Interesse an der Gewinnung von Erkenntnissen aus dem Internet dramatisch gestiegen, was natürlich auch den Missbrauch von Daten zur Folge hat. Um diesen zu verhindern, wurden seitens der Politik schon einige Vorstösse in Richtung Datenschutz gemacht. Selbst die Unternehmen intensivieren ihre Anstrengungen im Bereich Datenschutz. So wurde zum Beispiel im Juni 2017 Intelligent Tracking Prevention (ITP) entwickelt, ein Tool zur Reduzierung der Auswirkungen von Cookies von Drittanbietern und standortübergreifendes Tracking. Dies angesichts der Tatsache, dass “viele Benutzer das Gefühl haben, dass das Vertrauen gebrochen wird, wenn sie verfolgt werden, und dass datenschutzrelevante Daten über ihre Webaktivitäten für Zwecke erfasst werden, denen sie nie zugestimmt haben” (Wilander, 2017).

Nach Riedl befänden wir uns momentan in der Situation, in der wir am wenigsten darüber wüssten, wie Datenschutz tatsächlich funktionieren soll, obwohl in Deutschland bereits ein neues Datenschutzgesetz in Kraft getreten und auch in der Schweiz ein solches in Vorbereitung ist. Die Realität sei jedoch, dass der vollständige Schutz der Daten nicht gewährleistet werden könne. Einerseits, weil es global keine homogenen Regeln gäbe, und andererseits, weil die Zusammenarbeit zwischen Ländern weiterhin sehr eingeschränkt sei. Ebenfalls seien die Geschehnisse im Darknet und auch in der kriminellen Welt schwer kontrollierbar.

Ein weiterer Grund sei, dass Begriffe wie “personenbezogene Daten” in Zukunft ihre Bedeutung verlieren würden. Dies geschähe durch die Verknüpfung von sachlichen mit personenbezogenen Daten, die anschliessend anonymisiert würden. Durch diese Verknüpfung könnten diese Daten später aber wieder deanonymisiert werden. Somit würde der Personenbezug in Zukunft an Bedeutung verlieren. Um dieser Situation doch noch Herr zu werden, wäre nach Riedl anstatt eines Datenschutzgesetzes ein Datennutzungsgesetz die bessere Variante.

Konkret hieße das, wenn man sich bei einem Job bewerben würde, bei dem hohe körperliche Belastungen gefordert wäre und für dessen Bewerbungsverfahren deswegen Gendaten verlangt würden, es das Gesetz trotzdem nicht erlauben würde, diese Daten zur Verfügung zu stellen. Am Ende sei es nicht die Verletzung der Privatsphäre, die problematisch sei, sondern die Nutzung der Daten, die vom Betroffenen kaum kontrolliert werden könne.

Kontrollverlust über persönliche Daten

Für Riedl ist es wichtig zu verstehen, wie genau User und Userinnen die Hoheit (oder Kontrolle) über ihre personenbezogenen Daten verlieren. Der Kontrollverlust erfolge meistens schleichend und erst nachdem die personalisierten Daten an einem gewissen Ort entstanden sind. Hier habe der oder die Betroffene noch die theoretische Kontrolle über seine Daten. Später würden sie aber mit anderen Daten zusammengeführt und der Kontext mehrfach gewechselt. Bei diesen beiden Ereignissen würden die User und Userinnen oftmals die Kontrolle über ihre Daten verlieren. Hierbei sei entscheidend, ob die Betroffenen noch identifizierbar sind. Falls sie anonymisiert wären, sei der Kontrollverlust harmlos. Ebenfalls wichtig sei, dass Daten in gewissen Fällen mit verschiedenen Methoden auch wieder deanonymisiert werden können. Da der Kontrollverlust hauptsächlich beim Kontextwechsel erfolge, sei der Datenschutz darauf ausgerichtet, dass ein Kontextwechsel nur dann zulässig sei, wenn verschieden Erlaubnistatbestände gegeben sind – inklusive der expliziten Zustimmung der Betroffenen. Nach Riedl sei es den meisten Usern nicht wichtig, wofür was ihre personenbezogenen Daten genutzt würden. Im Moment würde noch beobachtet, wie sich dieser Markt, der sich noch in Kinderschuhen befindet, zukünftig entwickeln wird. Es sei jedoch auch ersichtlich, dass aus der Perspektive des Datenschutzes die Datennutzung transparenter werden müsse und die Nutzung möglichst simpel gestaltet werden sollte, damit man die Einstellungen zur Datennutzung bewusst und individuell ändern könne.

Datenschutzgesetze in der Schweiz

Wie steht es in der Schweiz um den Datenschutz? Hierzulande gab es einen ersten Versuch, das Datenschutzgesetz zu revidieren als Antwort auf die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), welche jedoch relativ früh in der Vernehmlassung gescheitert ist. Man hat sich danach dazu entschieden, das Ganze zu unterteilen in einen technischen Teil, der notwendig ist für den Schengenraum, und ein grundsätzlich neues Datenschutzgesetz, das jetzt im Parlament ist.

Gemäss Riedl würde das Schweizer Datenschutzgesetz ein wesentliches Element sein, wie und wo sich die Schweiz in Zukunft in der digitalen Wirtschaft platzieren wird. Es sei wichtig, dass die Schweiz den gleichen Status zugebilligt bekäme wie die EU und somit Schweizer Datenverarbeiter gegenüber der EU nicht benachteiligt würden. Zusätzlich sollten die Kundenrechte auch wirklich gestärkt werden. Damit meint Riedl, dass man Daten einfach ohne Hindernisse aus einer Cloud herausnehmen oder sie auf eine andere Cloud transferieren könne. So soll insbesondere eine Zweit- oder Drittnutzung von Datensammlungen durch den Betroffenen ermöglicht werden.

Nach Riedl müsse die Schweiz darauf achten, dass das Datenschutzgesetz nicht wie beim deutschen Diskurs an der Realität vorbei ginge. Die Realität, dass bereits viele Unternehmen, insbesondere grosse aus den USA, durchaus eine positive Haltung zum Datenschutzgesetz einnähmen.

Nichtsdestotrotz könnte es der EU trotzdem gelingen, der digitalen freien Wirtschaft Prinzipien aufzuerlegen, die den Schutz der Betroffenen garantierten, obwohl das von vielen Seiten bezweifelt wurde. Gerade die Schweiz könne unter dem Label “Swissness” den Datenschutz gut verkaufen. Es könne gut sein, dass Schweizer Unternehmen unter dem Label «Made in Switzerland» im Ausland aufträten und gerade deshalb die Aufträge erhielten.

In der EU würde gegenwärtig hingegen ein Kult um die Komplexität der DSGVO gemacht, anstatt zu begreifen, dass die DSGVO durchaus ein ökonomisches Potential habe. Die Schweizer Wirtschaft habe zwar lange Zeit nicht begriffen, dass der Datenschutz eine positive Bedeutung habe, scheine aber jetzt im Vergleich zur EU doch erste Schritte in die richtige Richtung zu machen.

Datenschutz als Feind von Big Data

Viele Datenschutzkritiker behaupten, dass Big Data unter der Auferlegung von Prinzipien zu ersticken droht. Der Datenschutz wird gar als Feind von Big Data beschrieben. Ist effektiver Datenschutz wirklich so schädlich? Golliez glaubt nicht, dass der Datenschutz selbst das Problem für Europa sei, sondern vielmehr, dass China und USA einen signifikanten Vorteil hätten. Nicht aus Datenschutzgründen, sondern weil in diesen Ländern die grossen Datenplattformen angesiedelt seien. Was sich Europa überlegen müsse, sei, wie es das kompensieren könne, weil hier nur kleine Datenmengen verfügbar wären.

Laut Golliez zeige sich das Phänomen, dass die DSGVO sogar wie ein Exportprodukt zu einem weltweiten Standard würde, quasi als Vorzeigebeispiel wie man mit Daten vertrauensvoll umgehen solle. So würden zum Beispiel in Kalifornien ähnliche Gesetzgebungen im Bereich Datenschutz wie die DSGVO eingeführt.

Es bleibt uns nur, abzuwarten was im Sinne einer DSGVO auf uns zukommen wird und diese Entwicklungen stets kritisch zu hinterfragen.

Quellenverzeichnis

Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter EDÖB​ (November 2018).
Die EU-Datenschutzgrundverordnung und ihre Auswirkungen auf die Schweiz.
Abgerufen am 15.06.2019 von:
https://www.edoeb.admin.ch/dam/edoeb/de/dokumente/
2018/Die_EU_DSGVO_undihre_Auswirkungen_auf_die_Schweiz_DE_Nov18.pdf.
download.pdf/Die_EU_DSGVOund_ihre_Auswirkungen_auf_die_Schweiz_DE_Nov18.pdf

Golliez, André. Interview zum Thema Datensammlung und Gesellschaft. Interview durchgeführt am 29.04.2019 von Georg Oberer.

Graeff, Timothy R. & Harmon, Susan (2002). Collecting and using personal data consumers’ awareness and concerns
Collecting and using personal data: consumers’ awareness and concerns.
Abgerufen am 22.06.2019:
https://www.emeraldinsight.com/doi/pdfplus/10.1108/07363760210433627

Müller, Giorgio V (25.01.2018). Datenschutz heisst Schutz der Privatsphäre. Abgerufen am 15.06.2019 von:
https://www.nzz.ch/meinung/datenschutz-heisst-schutz-der-privatsphaere-ld.1350896

Riedl, Reinhard. Interview zum Thema Datensammlung und Gesellschaft. Interview durchgeführt am 24.04.2019 von Georg Oberer.

Wilander, J. (05.06.2017). Intelligent Tracking Prevention.
Abgerufen am 22.06.2019 von
https://webkit.org/blog/7675/intelligent-tracking-prevention/​

Autoren

Georg Oberer, Giuliano Ardesi, Axel Kandel, Edward Leonar

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Wir können in 60 Tagen ein Datenökosystem aufbauen!

Wir können in 60 Tagen ein Datenökosystem aufbauen!

Ein Experiment

Viel Begeisterung, Spiel, Spass und einfach nur gute Laune versprachen sich die 21 zufällig Befragten, welche potentiell an selbstorganisierten Spieleabenden unter Gleichgesinnten teilnehmen möchten. Eine Spieleplattform in 60 Tagen mit Gastgebern und Gästen aufzubauen stellt keine Herausforderung dar – so scheint es zu Beginn. Über 60 Prozent der Befragten können sich vorstellen als Host ein Spieleevent mit z. B. Monopoly, Poker oder Fussball zu organisieren. Aus diesem Interesse ein Geschäftsmodell zu kreieren, stellt sich jedoch als schwieriger heraus als gedacht. Knapp die Hälfte der Befragten möchte mit der Organisation von Events kein Geld verdienen. Für sie steht der Spass im Vordergrund. Auch die beiden durchgeführten Testevents bleiben nur knapp hinter unseren hohen Erwartungen. Es braucht viel Offline-Arbeit, Koordination der Aufgaben und noch viel mehr Mut, etwas Neues auszuprobieren. Es folgen wertvolle Erkenntnisse zum Versuch und ein Erfahrungsbericht. 

Von der Idee zum System 

Um den Aufbau und Test eines Daten-Ökosystems aus der Praxissicht zu erleben, versuchten wir uns an der Gründung einer sozialen Plattform. Menschen, die nach Abwechslung in ihrer Freizeit, Anschluss an ihrem neuen Wohnort oder nach neuen Erfahrungen suchen, waren dabei vor allem unsere Zielgruppe. Diese registrieren sich auf der AirGame Plattform. Zur Vernetzung von Menschen über AirGame benötigen wir drei Gruppen von Nutzern: Hosts, Connoisseurs («Geniesser») und Business Partner. Die Hosts sind vorwiegend Privatpersonen, die eine Aktivität online anbieten. Hierbei kann es sich um eine Einladung zum Monopoly, zum Fussballspielen im Park oder auch zu einem Pokerturnier handeln. Der Fantasie des Hosts sind keine Grenzen gesetzt. Neben den Hosts, können sich auch Business Partner einen Account anlegen und Veranstaltungen erstellen, die sie über AirGame vermarkten können. Bevor der Host oder Partner eine neue Aktivität auf der Plattform einstellen kann, muss er angeben, wie viele Teilnehmer er sucht, wann und wo die Aktivität stattfinden soll und ob er von den Gästen eine Aufwandsentschädigung einfordern möchte. Andere Nutzer, die sogenannten Connoisseurs können sich durch das Angebot der Aktivitäten klicken und sich bei Interesse zu einem Event anmelden. Nach der Anmeldung können Host und Connoisseurs ihre Kontaktdaten gegenseitig einsehen. Dies ermöglicht eine unkomplizierte und einfache Kommunikation vor und nach dem Event. Um die Geschäftsidee zu testen, bot sich die Verwendung von Meetup an, einer stark wachsenden Socializing App. Um zu diesem Lösungsansatz zu gelangen, testete das gesamte AirGame-Team rund fünf Plattformen gemäss definierten Kriterien. Auf Meetup wird neben Freizeitaktivitäten auch die Möglichkeit zum Treffen für Menschen mit gleichen, beispielsweise beruflichen Interessen geboten. Die Nutzerzahlen übertreffen sich monatlich.

Welche Ökosystem-Partner können vom AirGame Ökosystem profitieren? 

Wir stellen uns vor, dass kleinere bis mittlere gesellschaftlich relevante Organisationen wie Sportvereine, Bars, Restaurants, Schulen und Cateringanbieter als Partner unserer Plattform anmelden und eigene Veranstaltungen in ihren Räumlichkeiten anbieten. Andererseits verfolgen wir eine Zusammenarbeit mit breit aufgestellten Business Partnern. Darunter verstehen wir eine Zusammenarbeit mit lokalen, aber auch grösseren Partnern wie beispielsweise der Migros. Der Migros würden wir eine kundennahe Plattform anbieten, welche sie benutzen kann, um ihre Marke zu stärken, oder um neue Produkte zu testen. Das Geschäftsmodell kann durch hybride Modelle, also via Kombination von Werbeeinnahmen und prozentualen Umsatzanteilen finanziert werden. Für Business Partner ist das Modell AirGame attraktiv, da durch die Anmeldungen der Connoisseurs die Events und die Kapazitäten optimal geplant werden können. Ausserdem bietet sich durch AirGame die Möglichkeit eine niedrige Auslastung, sagen wir eines Restaurants, durch neue Zielgruppen zu stärken und somit den Umsatz allgemein, und insbesondere in Zeiten von Überkapazitäten zu steigern. Durch das Erreichen der kritischen Grenze der im Ökosystem Partizipierenden werden zahlreiche Synergieeffekte möglich. Spielehersteller können neue Spiele durch AirGame einfach und zielgruppengerecht testen. Die Spieleindustrie setzte 2014 weltweit etwa 100 Mrd. US-Dollar um (Wikipedia, 2019). Durch unser Ökosystem AirGame können neue Möglichkeiten evaluiert und gezielt eingesetzt werden. 

Da die 60 Tage zeitlich sehr knapp bemessen waren, mussten wir uns mit qualitativen Aussagen seitens potentieller Partner begnügen. Hierbei wurde mehrfach der Wille geäussert, etwas ausprobieren zu wollen und neue Wege zu gehen. Insbesondere ein kleiner, innovativer Cateringbetrieb hat sich dazu positiv geäussert. Ein partnerschaftliches Commitment konnte allerdings nicht erreicht werden, da eine kritische Masse letzten Endes nicht erreicht werden konnte. Die nachfolgenden Zeilen sollen einen Beitrag dazu leisten, um in Zukunft ein grösseres Publikum zu erreichen. 

Abb. 1: Das AirGame Datenökosystem 
Quelle: eigene Darstellung 

Entwicklung des Geschäftsmodells 

Geschäftskunden bezahlen eine Art Vermittlungsgebühr, während private Nutzer der Plattform keine Gebühr für die Nutzung der Plattform bezahlen. AirGame finanziert sich neben Vermittlungsgebühren der Geschäftskunden über Werbeeinnahmen. Google zahlte 2015 fast zehn Milliarden US-Dollar an ihre Publisher im Rahmen des Dienstes AdSense (Google, 2019). AirGame will das Potential dieses immensen Betrags nutzen, und strebt dabei eine Erhöhung der Werbeeinnahmen Schritt für Schritt an. Denkbar ist auch privaten Nutzern die Möglichkeit zu geben, eine monatliche Nutzungsgebühr den Werbebannern auf der Plattform vorzuziehen. Eine mögliche konkrete Umsetzung wäre Google Startup (Google, 2019b). Folgende Monetarisierungsmöglichkeiten kann AirGame nutzen, um am Ende ein lukratives Geschäftsmodell zu kreieren: 

  • In-App-Verkäufe (umsetzbar über Bezahlfunktion mit Google Pay, welche kostenlos zur Verfügung steht), z. B. gewisse Plätze pro Event können durch Entgelt gekauft werden, wenn der Event grundsätzlich ausgebucht ist 
  • Werbeeinnahmen, z. B. zielgruppengerechte Anzeigen, Platzierung der Anzeigen, Filterung von Anzeigekategorien oder Auswahl von Anzeigetypen (Text, Bilder, Video, Audio, interaktive Elemente, …). 
  • Abos, z. B. Gratis-Mitgliedschaft mit individueller Bezahlung für Events, eine Premium-Mitgliedschaft mit fünf Events pro Monat oder eine No-Worry-Mitgliedschaft mit einer Events-Flatrate. 

Betreffend Monetarisierung eignet sich der Ansatz “fail fast and fail cheap” besonders gut. Dabei werden möglichst schnell am Markt verschiedene Optionen getestet; womit die nötigen Massnahmen effizient abgeleitet werden. Eine Umsetzung wäre ein A/B-Testing, z. B. klassische Textwerbung für Referenzgruppe A und Video für die Gruppe B. Daraus schliesst man, was für die Zielgruppe besser funktioniert und platziert gezielt die passende Werbeform pro Zielgruppe. 

Zielgruppe genau definieren 

Das Angebot ist für Privatpersonen attraktiv, da der Service eine schnelle, unkomplizierte Möglichkeit bietet, seine Freizeit kreativ und abwechslungsreich zu gestalten. Insbesondere für Menschen, welche neu zugezogen sind und noch keinen Freundeskreis in der Umgebung haben, stellt die Dienstleistung einen echten Mehrwert dar. Die Umzüge in der Schweiz setzen sich aus drei Kategorien zusammen: aus dem Ausland, aus anderen Kantonen der Schweiz und aus Umzügen innerhalb des Kantons. Bei einem Umzug innerhalb eines Kantons ist AirGame vermutlich nicht besonders attraktiv, da das soziale Umfeld weiterhin in Reichweite bleibt. Umzüge innerhalb eines Kantons sind zwar am häufigsten, jedoch sind auch die Zahlen für Umzüge aus anderen Kantonen und dem Ausland nicht zu vernachlässigen. Alleine in den ersten zwei Monaten in 2019 immigrierten knapp 40’000 Menschen in die Schweiz (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2019). In Genf stellen 27 Prozent aller Umzüge Zuzüge aus dem Ausland dar (ZKB-Immobilienresearch, 2011). AirGame ermöglicht es, zugezogenen Ausländern schnell Anschluss zu finden. Die Zahl der inländischen Umzüge ist schwieriger zu quantifizieren. Oftmals ist eine neue Arbeitsstelle Grund für den Umzug. Neben dem Eingewöhnen im neuen Job, Behördengängen und dem Einrichten der neuen Bleibe, kann AirGame nicht nur dazu beitragen den ganzen Umzugsstress zu mindern, sondern sich am neuen Ort schneller wohlzufühlen. Zuzügler legen Wert auf Convenience bei der Organisation von Freizeitaktivitäten. 

Zudem ist der Service potentiell wertvoll für Touristen, die einmal einen Einblick in die Wohnungen und Häuser, sowie die Lebensweise von Schweizern werfen möchten. Individualtouristen wollen Erlebnisse sammeln, die sich von den Pauschalreisen und Grossgruppenausflügen unterscheiden. Sie legen Wert auf persönliche Kontakte mit Einheimischen, einzigartige Erlebnisse und wollen die Kultur des Landes hautnah erleben. Bei den Touristen fokussiert sich AirGame grundsätzlich auf 20 – 45 jährige Personen. Im Jahr 2017 wurden im Schweizer Tourismus Einnahmen von 46.7 Milliarden CHF generiert (Schweizer Tourismus-Verband, 2018). Geschäftspartnern hingegen bietet die Plattform die Gelegenheit an Tagen, an denen sie normalerweise nur wenige Kunden haben, zusätzlichen Umsatz zu generieren. 

Nachfolgend zeigen wir unsere idealen Personas für Neuzuzüger sowie Touristen auf. Der Begriff Persona kommt aus dem nutzerzentrierten Design und findet heute oft Anwendung im Marketing im Zusammenhang mit der Marktsegmentierung. Es handelt sich hierbei um eine fiktionale Figur, welche einen Nutzertypen repräsentiert. Um einen tieferen Eindruck über unsere Hosts zu bekommen, haben wir zwei mögliche Personas auf einem Whiteboard skizziert. 

Grundsätzlich definieren sich beide Personas als Fremde, d. h. sie kommen auf bestimmte Zeitdauer an einen unbekannten Ort mit unbekannten Personen und Werten. Die Neuzuzüger Persona heisst Roger und ist rund 35 Jahre alt, Familienvater, Kaufmann und spielbegeistert. Roger lernt gerne neue Menschen und Kulturen kennen. Mei Xing ist die Persona für Touristen. Sie ist Chinesin, rund 45 Jahre alt und reist dreimal jährlich für mindestens eine Woche ausserhalb von China. Sie liebt es neue Personen verschiedener Kulturen kennenzulernen. Sie ist leidenschaftliche Spielerin – in der Regel ohne Sportanteil. Sie gehört zum chinesischen Mittelstand und verfügt über gute finanzielle Mittel. Sie nimmt in der Regel mit einer chinesischen Kollegin an Events teil. Sie verzaubert mit ihrer Art gerne ihr Umfeld, was sich in ihrem Namen spiegelt. Dieser heisst übersetzt: «Wunderschöner Stern». 

Die Rolle von Data Analytics 

Wann startete die Erfolgsgeschichte von Airbnb? Zwischen 2010 und 2015? Falsch, sie startete 2007. Die Anfangszeit verlief harzig, sogar sehr harzig. Die drei Initiatoren verdienten zu Beginn nur $200 pro Woche und das während Monaten. Nach einer erfolgreichen Massnahme, schöne Bilder von Übernachtungsorten aufzunehmen und zu publizieren, verdoppelten sie ihre Einnahmen. Allerdings verdiente Airbnb pro Teilhaber erst bescheidene $1’730 pro Jahr. Im 2010 gelang der grosse Durchbruch. Investoren sprachen rund 120 Millionen US-Dollar (Adioma, 2014). Wie viel Wert hat Airbnb per März 2019? Stolze 31 Milliarden US-Dollar (Vox, 2019)! Das ist rund der 258-fache Betrag in knapp zehn Jahren. Die erfolgreiche Airbnb-Geschichte wird in der folgenden Übersicht dargestellt: 

Abb. 2: Wie Airbnb seine Erfolgsgeschichte begann 
Quelle: Adioma (online) 

Was hat Airbnb mit AirGame zu tun? Erstens ist es für jedes Startup schwer Fuss zu fassen. AirGame muss mit einem harzigen Start über die ersten 60 Tage hinaus rechnen und dennoch am Ball bleiben, auch wenn die ersten grossen Erfolge während vieler Monate ausbleiben. Zweitens sind die Data Science Fertigkeiten nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal von Airbnb. Datenverwertung muss auch für AirGame eine zentrale Rolle einnehmen, die über Erfolg entscheiden wird. Im Zentrum von den Airbnb Data Science Bemühungen steht Vertrauen. Vertrauen der Hosts und der Guests. Optimale Matchings spiegeln sich seit vielen Jahren im Erfolg des Unternehmens. Drittens nutzt Airbnb folgende Data Science Bereiche, welche auch für AirGame Mehrwert bringen können: 

  • A/B-Testing: Verschiedene Benutzergruppen erhalten unterschiedliche Funktionen bzw. Ausprägungen davon. Die besten Ansätze werden genutzt oder weiterverfolgt. 
  • Natural Language Processing: Quantitative Bewertungen können mit qualitativen Text Mining Techniken abgeglichen werden. Beispielsweise kann für qualitative Bewertungen eine Sentiment Analyse durchgeführt werden. Abweichungen können identifiziert und analysiert und entsprechende Massnahmen abgeleitet werden. 
  • Predictive Modelling: Hinter Prognosen, wann welche Events und mit welcher Anzahl Teilnehmenden durchgeführt werden, sehen wir weiteres Potenzial. Daraus können beispielsweise Preisempfehlungen für die Hosts entstehen oder der Host erhält eine Bewertung zur Sicherheit einer Mindestteilnehmerzahl. 

Schliesslich will Airbnb mittels Big Data Analytics die «Stimme der Kunden» verstehen. Daten sind die Seele des Geschäfts. Datengetriebene Entscheidungen treiben demzufolge den Erfolg voran und helfen die Plattformnutzer besser zu verstehen. Erfolgreiche Geschäftsideen wie Airbnb zeigen deutlich wo der Aufbau eines Datenökosystems zur Herausforderung wird. Um die kritische Masse an Kunden zu erreichen, hat Airbnb Jahre gebraucht. Was dazu führt, dass wir uns aller Ambitionen zum Trotz, mit unserem AirGame Ökosystem wohl doch etwas mehr Zeit zugestehen sollten. 

Abb. 3: Datenanalyse bei AirGame 
Quelle: eigene Darstellung 

Wie ist nun das Vorgehen bezüglich Datenverwertung seitens AirGame? Als Erstes wurden im Team zentrale Fragestellungen zur Geschäftssteuerung definiert: 

  • Wie viel Geld will ein Host pro Zeiteinheit für welche Dienstleistung verdienen? Gibt es andere Anreize als Geld, z. B. Gesellschaft? 
  • Wie viel Geld ist es einem Connoisseurs Wert pro Dienstleistung? 
  • Wann sind die besten Zeiten (Stunden, Tage, Monate) für Dienstleistungen? 
  • Wie erhalten Hosts sympathische Connaisseurs? 
  • Wie finden Connoisseurs sympathische Hosts inkl. Ambiente und Connaisseurs? 
  • Wie kann AirGame möglichst viel Gewinn erwirtschaften und gleichzeitig die Kunden zufriedenstellen? 

Daraus hat Ramon Schildknecht, als unser Datenanalyst, unseren Datenbedarf abgeleitet: 

  • Schätzung potentielle Hosts Verdienst pro Zeiteinheit 
  • Schätzung Connoisseurs Geld pro Dienstleistung 
  • Eventdaten (Hosts, Connaisseurs, Zeitraum, Ort, Datum) Spielabend inkl. Extras (Getränke, Speisen) 
  • Connoisseurs-Bewertungen 
  • Host-Bewertungen 
  • KPIs wie Umsatz und Kosten ermitteln. Umsatz maximieren und Kosten minimieren. Regelmässige Kundenumfragen erheben und adäquate Massnahmen umsetzen. 

Eine Umfrage anhand einer kleinen Gruppe hat folgende erste Insights generiert: 

  • Idealerweise finden die Events abends ab 18:00 statt. An Wochenenden passt zusätzlich das Zeitfenster zwischen 11:00 und 18:00. 
  • Einnahmen der Hosts sowie Ausgaben der Connoisseurs können passen. 
  • Eventuell ist anstelle einer Bewertungsfunktion eine «Endorsement»-Funktion (Gutheissung, siehe LinkedIn) besser geeignet. 

Die Nutzer der Plattform generieren die gewünschten Daten. Der Traffic auf der Webseite und die Interaktion zwischen Gastgebern und Gästen als Teil der oben genannten Fragestellungen werden mit Hilfe einer Datenanalyse ausgewertet. Darauf aufbauend können iterativ nützliche Massnahmen für die Kunden abgeleitet und umgesetzt werden. Besonders in der ersten Phase von AirGame ist es wichtig, getroffene Entscheidungen zu evaluieren und unter Umständen wieder zu verwerfen oder anzupassen. Fehlen dem User bestimmte Funktionalitäten auf der Webseite? Sind die tatsächlichen Kunden, die die wir durch Umfragen und Erstellung der Personas definiert haben? Neben der klassischen Datenanalyse wäre auch ein Ausbau der Analysestrategie denkbar. Die Monetarisierungsstrategie ist hier ein Beispiel, welches wir in Zukunft durch A/B-Testing optimieren können. 

Take-aways und Lessons Learned 

Der Kunde ist König. Das wissen (fast) alle. Die praktische Umsetzung davon fordert intensive Bemühungen, was wir zu spüren bekommen haben. Diese Anstrengungen sind eminent und können sich sicherlich auszahlen, wenn wir es schaffen das nötige Durchhaltungsvermögen aufzubringen. 

Im Weiteren benötigen wir die richtigen Zielgruppen für unsere Produkte und Dienstleistungen. Die Entwicklung unserer Personas stellte sich schwieriger als gedacht heraus. Zufrieden mit dem (Zwischen-)Ergebnis müssten diese nun in der Realität getestet werden. Nur so erfahren wir, wie gut die Personas passen und welche Korrekturen nötig sind, um mit ihnen erfolgreich zu sein. 

Schliesslich sind gute Kontakte Türöffner, um neue Produkte und/oder Services erfolgreich zu etablieren. Auch dieser Aspekt war für uns schwieriger, als es angedacht war. Auf die Formular-Anfrage betreffend Datenerhalt unseres Kontos blieb beispielsweise eine Antwort aus. Auch mittels Telefon kamen wir nicht zum Ziel. Diese Informationsbeschaffung wäre beispielsweise mittels gezielten Kontakt wesentlich einfacher. 

Fazit des Experiments 

Mit Begeisterung für die Sache kann man vieles erreichen. Deshalb wurden innert kürzester Zeit elf Personen aus der Umgebung Mitglied auf unserer Plattform. Das alleine zeigt, dass das Interesse allemal vorhanden ist! An den ersten zwei Anlässen haben rund zehn Personen teilgenommen. Ohne Aufforderung haben zwei Teilnehmende sogar folgendes Feedback hinterlassen: 

Abb. 4: Feedback von AirGame Kunden 
Quelle: AirGame Webseite 

Jedoch muss man festhalten, dass man zunächst eine kritische Masse erreichen muss. Dafür haben diese 60 Tage leider tatsächlich nicht ausgereicht. Wir mussten feststellen, dass der Aufbau einer Kundenbasis die bisher grösste Herausforderung darstellt. Die Entwicklung eines Datenanalysekonzepts und die Findung einer technischen Lösung zum Testen der Plattform stellt jedoch wenig Probleme dar. Um das Konzept AirGame weiter voranzutreiben, benötigt es verstärkte Marketingmassnahmen, der Fokus auf das Erreichen der kritischen Masse und Herzblut der AirGame-Betreiber um möglichst viele Teilnehmende zu motivieren. Mund-zu-Mund-Propaganda ist, war und wird auch künftig eine zentrale Rolle spielen (Eckmüller & Schirmann, 2014). Beispiel? Airbnb oder Uber! Wird es eine Idee wie AirGame schaffen? Natürlich wird es die Zukunft zeigen. Wir glauben daran! 

Quellen

Adioma (2014). Das politische System der Schweiz. Abgerufen am 04.05.2019 von https://blog.adioma.com/how-airbnb-started-infographic/ 

Google (2019). AdSense macht den Unterschied. Abgerufen am 04.05.2019 von https://www.google.de/intl/de/adsense/start/benefits/#/ 

Google (2019b). Produkte monetarisieren. Abgerufen am 05.05.2019 von https://startup.google.com/intl/de/tools/monetize/ 

Presseportal.de (2014). Digitale Mund-zu-Mund-Propaganda wirkt. Abgerufen am 29.04.2019 von https://www.presseportal.de/pm/50272/2839317 

Schweizerische Eidgenossenschaft (2019). Statistik Zuwanderung – Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz . Abgerufen am 30.04.2019 von https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/publiservice/statistik/auslaenderstatistik/monitor/2019/statistik-zuwanderung-2019-02-d.pdf 

Schweizer Tourismus-Verband (2018). Schweizer tourismus in Zahlen 2017 . Abgerufen am 13.04.2019 von https://www.stv-fst.ch/sites/default/files/2018-07/StiZ_de.pdf 

Vox (2019). Airbnb sold some common stock at a $35 billion valuation, but what is the company really worth?. Abgerufen am 02.05.2019 von https://www.vox.com/2019/3/19/18272274/airbnb-valuation-common-stock-hoteltonight 

Wikipedia (2019). Spieleindustrie. Abgerufen am 18.04.2019 von https://de.wikipedia.org/wiki/Spieleindustrie 

ZKB-Immobilienresearch (2011). Hohe Umzugshäufigkeit trotz tiefen Leerständen. Abgerufen am 30.04.2019 von https://www.homegate.ch/kaufen/schritte-zum-eigenheim/marktanalyse/markttrends/umzugsreport 

AirGame Webseite (2019). Spielabend mit Essen & (alkoholischen) Getränken. Abgerufen am 10.05.2019 von https://www.meetup.com/de-DE/AirGame-Spiel-mit-Option-Essen-Trinken/events/260421501/

Autoren

Anzhelika Alexandraki, Lisa Becker, Ramon Schildknecht, Flavio Willimann

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